Anna & Daniel


KONLUS BLOG

von Christoff Jorde 27 März, 2024
I. Einleitung Die unentgeltliche Übertragung von Vermögensgegenständen – insbesondere im Familienverbund – will einerseits für die Schenkung im Einzelnen sowie mit Blick auf Folgeschenkungen in der näheren Zukunft geplant sein. Neben der Steuerklasse und dem Freibetrag spielt insbesondere die Bewertung des Schenkungsgegenstandes eine exponierte Rolle. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 26. Juli 2023 unter dem Az. II R 35/21 festgestellt, dass ein gesondert festgestellter Grundbesitzwert Bindungswirkung für alle Schenkungsteuerbescheide entfaltet, bei denen dieser mit in die steuerliche Bemessungsgrundlage einfließt. Das gilt insbesondere auch für die Berücksichtigung eines früheren innerhalb der Zehnjahresfrist. Für den Steuerpflichtigen ergeben sich somit materiell-rechtliche Risiken aus Grundlagenbescheiden, auch wenn die dortigen Wertfeststellungen zunächst zu keiner Schenkungsteuer führen. II. Urteilssachverhalt Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhielt mit Wirkung zum 31. Dezember 2012 von seinem Vater schenkweise einen hälftigen Miteigentumsanteil an mehreren unbebauten Grundstücken (die sog. „Vorerwerbe“). Für Zwecke der Schenkungsteuer wurden mit Feststellungsbescheiden jeweils vom 4. April 2016 die Grundbesitzwerte für alle übertragenen wirtschaftlichen Einheiten festgestellt. Der auf den Kläger entfallende Anteil betrug insgesamt EUR 87.392 und lag somit grundsätzlich unter dem Schenkungsteuerfreibetrag i. H. v. EUR 400.000,-- zwischen Eltern und Kindern. Die erlassenen Feststellungsbescheide wurden nicht beanstandet und somit bestandskräftig. Die dort festgestellten Grundbesitzwerte waren die Besessungsgrundlage für den Schenkungsteuerbescheid vom 25. April 2016. Die Schenkungsteuer wurde mit EUR 0 festgesetzt. Am 20. Juni 2017 erhielt der Kläger von seinem Vater schenkweise EUR 400.000,-- durch einen Forderungsverzicht (steuerlicher Erwerb). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑FA‑) setzte daraufhin mit Bescheid vom 27. September 2018 für den Erwerb Schenkungsteuer in Höhe von EUR 9.603 fest. Dabei berücksichtigte das FA den Vorerwerb (s. o.) mit einem Wert von EUR 87.392 und damit einhergehend die betragsmäßige Überschreitung des schenkungsteuerlichen Freibetrages. Den Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, dass der Grundbesitzwert im Feststellungsbescheid vom 4. April 2016 unzutreffend festgestellt worden sei, der für den Vorerwerb herangezogene Wert im Schenkungsteuerbescheid vom 27. September 2018 danach ebenfalls unrichtig und der Vorerwerb mit dem materiell-rechtlich zutreffenden Wert einzubeziehen sei, wies das FA in der Einspruchsentscheidung vom 28. März 2019 als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage beim Niedersächsischen Finanzgericht (Urteil v. 25. August 2021, 3 K 112/19) hatte keinen Erfolg. III. Entscheidung des BFH Nach Auffassung des BFH ist die Revision unbegründet und war daher zurückzuweisen. Der Schenkungsteuerbescheid vom 27. September 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die mit Bescheiden jeweils vom 4. April 2016 bestandskräftig festgestellten Grundbesitzwerte in Höhe von insgesamt EUR 87.392 wurden zu Recht auch der Schenkungsteuerfestsetzung des Erwerbs zu Grunde gelegt. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden und von der Steuer für den Gesamtbetrag die Steuer abgezogen wird, die für die früheren Erwerbe zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Der Feststellungsbescheid vom 4. April 2016 ist ein Grundlagenbescheid, in welchem ein Grundbesitzwert bestandskräftig festgestellt worden ist. Dieser Grundlagenbescheid hat grundsätzliche Bindungswirkung für sämtliche Folgebescheide. Zu solchen Folgebescheiden zählen auch Schenkungsteuerbescheide. Eine Beschränkung der Bindungswirkung auf bestimmte Erwerbe sieht das Steuergesetz nicht vor. Im Gegenteil liegt es nach Auffassung des BFH in der (rechtlichen) Natur der gesonderten Feststellung, diese bei allen Steuerfestsetzungen zu berücksichtigen, für die sie materiell-rechtlich von Bedeutung ist. Die Bindungswirkung der gesondert festgestellten Werte nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gilt folglich nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO auch für nachfolgende Erbschaftsteuer- oder Schenkungsteuerbescheide , in denen im Rahmen der Zusammenrechnung innerhalb von zehn Jahren nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG der Wert der Vorerwerbe Berücksichtigung findet. Dies gilt unabhängig davon, ob die Wertfeststellung zu einer Steuerfestsetzung geführt hat. Ein Steuerpflichtiger kann sich daher nicht darauf berufen, er habe den Wertfeststellungsbescheid nicht angefochten, weil aufgrund der Freibeträge die Steuerfestsetzung für den Vorerwerb EUR 0 betragen hat. Die BFH-Rechtsprechung zum Ansatz von materiell-rechtlich richtigen Werten für den Vorerwerb im Rahmen der Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG (s. hierzu BFH-Urteile vom 22.08.2018 - II R 51/15, BFHE 262, 448, BStBl II 2020, 662, Rz 26 ff. und vom 22.07.2020 - II R 42/17, Rz 24) steht danach der Pflicht zur Berücksichtigung eines nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BewG i.V.m. § 1 Abs. 2 ErbStG festgestellten Grundbesitzwerts in Bezug auf einen Vorerwerb bei einem späteren Erwerb nicht entgegen, selbst wenn dieser materiell-rechtlich unzutreffend sein sollte. Die Bindungswirkung eines Wertfeststellungsbescheids für einen Vorerwerb im Rahmen der Wertermittlung für den nachfolgenden Erwerb trägt im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG zur Rechtssicherheit bei. Der Steuerpflichtige kann darauf vertrauen, dass ein bestandskräftig festgestellter Wert auch nachfolgenden Erbschaftsteuer- beziehungsweise Schenkungsteuer-bescheiden zu Grunde gelegt wird. Ist der Steuerpflichtige der Auffassung, der festgestellte Wert sei unzutreffend, ist es ihm zumutbar, bereits im Rahmen des Vorerwerbs den Wertfeststellungsbescheid rechtzeitig anzufechten. IV. Auswirkungen auf die Praxis Diese BFH-Rechtsprechung verdeutlicht einmal mehr die Bindungswirkung von Grundlagenbescheiden für Folgebescheide . Die Bindungswirkung gilt auch für steuerartübergreifende Festsetzungen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Grundlagenbescheide dahingehend geprüft werden, dass die korrekten Werte festgesetzt werden. Denn (materiell-rechtliche) Einwände gegen rechtsfehlerhafte, aber zwischenzeitlich in Bestandskraft erwachsende Grundlagenbescheide sind in Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren gegen Folgebescheide nicht mehr möglich. Gerade im Bereich der Planung von Vermögensübertragungen sind gesondert festzustellende Wertfeststellungen einer genauen Prüfung auf deren Richtigkeit zu unterzeihen, weil diese Feststellungen im Rahmen von Folgeschenkungen während des Zehnjahreszeitraums i.S.d. § 14 ErbStG ihre Wirkung nicht verlieren. Für Rückfragen zum Thema „Bindungswirkung von Wertfeststellungsbescheiden“ und deren Wirkung sowie zu dem o.g. Urteil stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508-100 gerne zur Verfügung.
von Dr. Tobias von Cölln 11 März, 2024
I. Einleitung Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 6. März 2024 einen Entwurf für die Anpassung des noch nicht ganz zwei Jahre alten BMF-Schreibens vom 10. Mai 2022 ( dazu unser Blogbeitrag ) vorgelegt. Hintergrund sind mehrere inhaltliche Anpassungen sowie insbesondere die Präzisierung der im ursprünglichen BMF-Schreiben nicht aufgeführten und zunächst nur im Rahmen eines Entwurfschreibens aus Juli 2022 vorgestellten Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten ( dazu unser Blogbeitrag ). Die wichtigsten geplanten Änderungen, welche nun in das neue BMF-Schreiben aufgenommen werden sollen, stellen wir Ihnen nachfolgend dar. II. Im Detail Neben kleineren redaktionellen Anpassungen in bereits bestehenden Randnummern (Rn.) des BMF-Schreibens vom 10. Mai 2022, sind für die Steuerpflichtigen insbesondere die neu unter Punkt „III. Steuererklärungs-, Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten“ aufzunehmenden Rn. 90 bis 111 sowie die unter Punkt „IV. Anwendungsregelungen“ aufzunehmende Rn. 112 zu nennen. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die folgenden Randnummern, welche bereits im Rahmen der Abgabenordnung geregelte allgemeingültige Pflichten für die Steuerpflichtigen auf Krypto-Sachverhalte überträgt: Technische Besonderheiten (Rn. 92): Selbst bei auf der Blockchain dokumentierten Transaktionen bedarf es aufgrund der Pseudonymität einer entsprechenden Mitwirkung durch die Steuerpflichtigen. Auch die bloße Überlassung des öffentlichen Schlüssels durch die Steuerpflichtigen ist nach Verwaltungsauffassung für die ertragsteuerrechtliche Nachweisführung nicht ausreichend. Erhöhte Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten (Rn. 93): Bereits verfahrensrechtlich unterliegen Steuerpflichtige bei Auslandssachverhalten einer erhöhten Mitwirkungspflicht (§ 90 Abs. 2 AO). In der Rn. 93 des vorliegenden Entwurfes soll dies insbesondere auch den regelmäßigen Abruf bestehender Transaktionsübersichten umfassen. Demnach sollen fehlende Aufzeichnungen und Datenverluste (z. B. wegen Insolvenz der Handelsplattform oder aufgrund eines Hacker-Angriffs) zu Lasten der Steuerpflichtigen gehen. In der Praxis dürfte dies viele Steuerpflichtige vor erhebliche Probleme stellen. Bereits lange tätige Investoren und Trader haben mitunter in der Vergangenheit keine Handelsdaten heruntergeladen und sehen sich nun vor dem Problem, dass einige Auslandsbörsen bereits nicht mehr existent sind. Darüber hinaus sind (insb. ältere) von Auslandsbörsen bereit gestellte Datensätze vielfach fehlerbehaftet. Können Steuerpflichtige keine ausreichenden Angaben machen oder keine ausreichende Aufklärung über ihre Angaben geben wird das Finanzamt regelmäßig die Erträge schätzen (§ 162 Abs. 2 AO). Mitwirkungs-, Aufzeichnung- und Aufbewahrungspflichten im Betriebsvermögen (Rn. 97 ff.): Die Entwurfsfassung des BMF-Schreibens stellt zunächst grundlegend klar, dass auch bei Token oder sonstigen Währungen in einem Betriebsvermögen die regulären steuerlichen und außersteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten Anwendung finden sollen (insb. §§ 140, 141 u. 145 ff. AO; §§ 238 ff. HGB). Neben der Einhaltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sind Steuerpflichtige zur Aufbewahrung von Aufzeichnungen und Unterlagen zu Geschäftsvorfällen verpflichtet, die für die Überprüfung dieser Aufzeichnungen von Bedeutung sind. Für den Fall, dass Steuerpflichtige für die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen im Zusammenhang mit virtuellen Währungen und sonstigen Token eine spezielle Software (z. B. Cointracker oder Cryptotax) nutzen, so ist für diese zum einen eine eigene Verfahrensdokumentation zu erstellen ( siehe dazu bereits den Blogbeitrag „Verfahrensdokumentation“ vom 13. Mai 2022 ) sowie zum anderen die Anforderungen an die Unveränderbarkeit der Daten zu beachten. In der Praxis dürfte dies viele Steuerpflichtige vor erhebliche Probleme stellen. Wer zum Beispiel in der Vergangenheit zeitweise gewerbliche Einkünfte (z. B. durch Mining oder aktives Staking) erzielt hat, hat mitunter aber die vorstehenden Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten nicht erfüllt. Auch in diesen Fällen wird das Finanzamt regelmäßig die Erträge schätzen (§ 162 Abs. 2 AO). Aufzeichnungspflichten im Privatvermögen (Rn. 104 ff.): Auch im Privatvermögen können Einnahmen aus virtuellen Währungen oder sonstigen Token zu einer erweiterten Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflicht des Steuerpflichtigen führen. Dies trifft insbesondere alle Steuerpflichtigen, deren Summe der positiven Überschusseinkünfte (dies sind Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung oder sonstigen Einkünften i. S. d. § 22 EStG) mehr als 500.000 Euro im Kalenderjahr betragen (§ 147a AO). Diese haben die Aufzeichnungen und Unterlagen über die den Überschusseinkünften zu Grunde liegenden Einnahmen und Werbungskosten sechs Jahre lang aufzubewahren. Sofern Steuerpflichtige ein Datenverarbeitungssystem oder eine spezielle Software zur Erfüllung der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten benutzen, ist im Rahmen einer Außenprüfung einen Datenzugriff sicherzustellen (Rn. 104). Für die Erfüllung der Aufzeichnungspflichten sollen Steuerreports (Rn. 106), CSV-Daten und Transaktionsübersichten (Rn. 107) sowie auch vom Steuerpflichtigen selbst erstellte Auflistungen und Tabellen (Rn. 108) dienen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang stets, dass für Zwecke einer ausreichenden Plausibilität Angaben zur Bestimmung der angesetzten Kurse und zum genutzten Verbrauchsfolgeverfahren (z. B. FiFo) sowie Ausführungen zu den zugrundeliegenden ertragsteuerrechtlichen Wertungen erforderlich sind. Haben die Steuerpflichtigen individuelle Anpassungen und Korrekturen in den Steuerreports vorgenommen, ist von ihnen darauf hinzuweisen . Insgesamt gilt, dass je komplexer die Transaktionen , desto höher die individuellen Anforderungen an die Dokumentationen (Rn. 109). Auch hier gilt: Können Steuerpflichtige keine ausreichenden Angaben machen oder keine ausreichende Aufklärung über ihre Angaben geben, wird das Finanzamt regelmäßig die Erträge schätzen (§ 162 Abs. 2 AO). III. Auswirkungen auf die Praxis Es bleibt zu konstatieren, dass es sich zunächst um einen Entwurf zu der Anpassung des bereits bestehenden BMF-Schreibens handelt. Verbände und Experten haben noch bis Anfang April Gelegenheit, zu dem Entwurf Stellung zu nehmen. Gleichwohl ist abzusehen, dass die erwartbaren Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten die Steuerpflichtigen in der Praxis regelmäßig – insb. aufgrund der geplanten Anwendbarkeit auf alle noch offenen Fälle – vor gewisse Herausforderungen stellen werden. Es gilt demnach für Steuerpflichtige insbesondere im Zusammenhang mit virtuellen Währungen und sonstigen Token eine fehlerfreie Dokumentation der Einzelsachverhalte sicherzustellen. Die Erfordernisse an die Dokumentationspflicht und die Unveränderbarkeit der Daten, einhergehend mit dem Datenzugriff der Finanzverwaltung ist sicherzustellen. Den Finanzämtern steht es stets offen Nachweise zu fordern. Können diese nicht erbracht werden, darf das Finanzamt schätzen. Insbesondere Steuerpflichtigen, die bereits eine Steuererklärung abgegeben haben, aber die Einnahmen aus virtuellen Währungen und sonstigen Token nicht oder nicht vollständig angegeben haben, ist umgehend zu einer persönlichen Beratung im Zusammenhang mit der Möglichkeit einer Nacherklärung oder einer strafbefreienden Selbstanzeige zu raten. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.
von Dr. Tobias von Cölln und Lara-Sofie Bernert 04 März, 2024
Die steuerlichen Konsequenzen von als „Influencern“ tätigen Personen sind stets einzelfallabhängig zu prüfen und hängen insbesondere von der Art und Weise der jeweils ausgeführten Tätigkeit sowie etwaigen Vergütungsmodellen ab. Dies entscheidet darüber, ob die Tätigkeit der Influencer als Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder als Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu qualifizieren ist. In der Praxis ist insbesondere die Frage nach der steuerlichen Qualifikation von Betriebseinnahmen (z. B. Testprodukte) sowie den Betriebsausgaben (z. B. Equipment, Kleidung) häufig strittig. Insbesondere hinsichtlich der Frage des Betriebsausgabenabzuges für die Anschaffung bürgerlicher Kleidung einer Influencerin hat jüngst das Niedersächsische Finanzgericht entscheiden müssen. I. Grundlegendes Wann erzielen Influencer Einkünfte aus Gewerbebetrieb ? Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen, die eine selbständige und nachhaltige Betätigung erfordern, welche mit der Absicht unternommen wird Gewinn zu erzielen und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. „Selbständigkeit“ bedeutet, dass der Influencer eigenverantwortlich und unabhängig handelt. Die „Nachhaltigkeit“ bezieht sich auf die fortlaufende, nicht nur vorübergehende Geschäftstätigkeit. Die „Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ bedeutet, dass die Tätigkeit des Influencers für Dritte zugänglich ist. Ferner darf es sich bei der Tätigkeit des Influencers nicht um die Ausübung eines freien Berufs oder einer andere selbständigen Arbeit handeln (siehe dazu sogleich). Einkünften aus Gewerbebetrieb unterfallen nicht nur der Einkommensteuer, sondern auch der Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuerpflicht in Deutschland betrifft gewerbliche Unternehmen (sog. Gewerbebetriebe). Es gibt grundsätzlich einen Freibetrag in Höhe von EUR 24.500, bis zu dem keine Gewerbesteuer anfällt. Dieser gilt jedoch nur für natürlichen Personen sowie Personengesellschaften, die einen Gewerbebetrieb betreiben. Liegt der Gewerbeertrag darüber, erfolgt die Besteuerung mit Gewerbesteuer auf den übersteigenden Betrag. Die Gewerbesteuer lässt sich jedoch (teilweise) auf die Einkommensteuer anrechnen. Ob der Influencer Bilanzen erstellen muss oder seinen Gewinn durch eine Einnahmenüberschussrechnung ermitteln darf, hängt insbesondere vom jeweiligen Umsatz und Gewinn ab. Einzelkaufleute, die weniger als 600.000 EUR Umsatz und 60.000 EUR Gewinn pro Jahr haben, können die Einnahmenüberschussrechnung wählen. Bei Überschreitung der Wertgrenzen besteht Bilanzierungspflicht. Durch das geplante – aber noch nicht final beschlossene – Wachstumschancengesetz sollen die vorstehenden Schwellenwerte zur Bilanzierungspflicht auf 800.000 EUR Umsatz und 80.000 EUR Gewinn angehoben werden. Wann erzielen Influencer Einkünfte aus selbständiger Arbeit ? Einkünfte aus selbständiger Arbeit können bei verschiedenen Tätigkeiten vorliegen. Es handelt sich um Einkünfte aus freiberuflicher oder selbständiger Tätigkeit (sog. Katalogberufe). Die für den Gewerbebetrieb geltenden positiven Voraussetzungen „Selbstständigkeit“, „Nachhaltigkeit“, „Gewinnerzielungsabsicht“ und die „Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ gelten auch für die selbstständige Arbeit. Ausschlaggebend ist regelmäßig, dass die Tätigkeit bzw. der Beruf in § 18 EStG ausdrücklich aufgeführt ist (z. B. selbstständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit) oder, soweit § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 3 EStG keine abschließenden Aufzählungen enthalten, den genannten Tätigkeiten ähnlich ist. Charakteristisch ist regelmäßig die persönliche Leistung des Influencers auf eigene Rechnung und Gefahr tätig zu sein und ohne Weisungsabhängigkeit von Dritten vorwiegend durch persönlichen Arbeitseinsatz. Die Tätigkeit von Influencern kann zum Beispiel den im Gesetz aufgeführten Tatbestand der künstlerischen Tätigkeit erfüllen. Eine künstliche Tätigkeit liegt jedoch nur vor, wenn der Influencer eine eigenschöpferische Leistung vollbringt, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine gewisse Gestaltungshöhe erreicht. Die Besonderheit bei Einkünften aus selbständiger Arbeit ist, dass im Gegensatz zu Einkünften aus Gewerbebetrieb nur Einkommensteuer und keine Gewerbesteuer anfällt. Ferner ist ungeachtet der Umsatz- und Gewinnhöhe eine Einnahmenüberschussrechnung zur Gewinnermittlung ausreichend. Einer Bilanzierung bedarf es dann nicht. II. Steuerpflichtige Einnahmen und Ausgaben Liegen Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb vor, ist der Gewinn entsprechend zu versteuern. In der Praxis kommt es tatsächlich regelmäßig zu der Annahme von Einkünften aus Gewerbebetrieb, insbesondere wenn die Einnahmenstruktur primär auf Werbung und Vermittlungsprovisionen beruht (z. B. Affiliate-Links). Einnahmen in Geld sind regelmäßig leicht anhand der Kontoauszüge zu ermitteln. Gleichwohl erhalten Influencer häufig Produkte zum Testen zur Verfügung gestellt. Die steuerliche Behandlung dieser ist stets in Abhängigkeit der jeweiligen (Weiter-)Verwendung zu würdigen. Regelmäßig sind diese Sachzuwendungen als Betriebseinnahmen zu qualifizieren, wenn deren Erhalt durch die betriebliche Tätigkeit veranlasst ist. Auch die kostenfreie Nutzung von Dienstleistungen (z. B. kostenfreie Reisen oder Tickets) können regelmäßig als steuerpflichtige Betriebseinnahmen zu qualifizieren sein. Kritisch ist in diesem Zusammenhang in der Praxis insbesondere die Bewertung , wenn der „übliche Preis“ nicht bekannt ist. Etwas Anderes würde insgesamt nur gelten, wenn die Firmen von denen die Influencer die Produkte erhalten, diese bereits pauschal für sie versteuert hätten. Insbesondere die Einkommensermittlung bei Influencern ist nicht frei von steuer(straf)rechtlichen Risiken und bedarf einer qualifizierten Analyse der jeweilig bestehenden Einzelsachverhalten. Ferner bedarf es einer sauberen und in einer etwaigen Prüfung belastbaren Dokumentation sowohl der Geschäftsvorfälle als auch der zu Grunde gelegten Bewertung. Folgende Ausgaben können Influencer regelmäßig geltend machen: Aufwendungen aus der Internetnutzung sowie der Gestaltung von Websites und der Anschaffung von Ausrüstung zur Herstellung von Videos. Kosten für die Unterhaltung eines Raums, der ausschließlich zur Produktion von Videocontent sowie der Führung des Betriebes genutzt wird. Fahrt- und Reisekosten, Verpflegungsmehraufwendungen etc. Exkurs: Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 13. November 2023 (3 K 11195/21): Das FG urteilte im Leitsatz wie folgt: „Aufwendungen einer Mode-Influencerin/Mode-Bloggerin für die Anschaffung von bürgerlicher Kleidung und Mode-Accessoires sind - unabhängig vom betrieblichen Nutzungsumfang - nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.“ Geklagt hatte eine Steuerzahlerin, die auf diversen Social-Media-Kanälen sowie über einen Mode- und Lifestyleblog betreibt. Neben den Waren, die sie im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit von diversen Unternehmen erhalten hatte, um diese zu bewerben, erwarb die Influencerin zusätzlich auf eigene Rechnung diverse Kleidungsstücke und Accessoires (z. B. Handtaschen namhafter Luxusmarken). Diese Aufwendungen wollte sie als Betriebsausgaben bei ihrer gewerblichen Tätigkeit als Influencerin geltend machen. Neben dem Finanzamt (im Einspruchsverfahren) lehnte aber auch das Finanzgericht (im Klagverfahren) die steuerliche Geltendmachung der Kosten ab. Begründung: Bei gewöhnlicher bürgerlicher Kleidung und Mode-Accessoires sei eine Trennung zwischen privater und betrieblicher Sphäre nicht möglich. Dies ändere sich auch nicht, wenn die Aufwendungen in der Annahme getätigt werden, das berufliche Fortkommen zu fördern. Auf eine konkrete Nutzung komme es ebenfalls nicht darauf an. Allein die naheliegende Möglichkeit der Privatnutzung von bürgerlicher Kleidung und Mode-Accessoires führe dazu, dass eine steuerliche Berücksichtigung ausgeschlossen sei. Im zweiten Teil unserer Tax-Basics-Reihe befassen wir uns mit den umsatzsteuerlichen Besonderheiten von Influencern. Für Rückfragen und für weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508-100 gerne zur Verfügung.
von Meike Kuhn und Maya Krömer 28 Feb., 2024
I. Überblick Bereits im Jahr 2023 haben wir mehrere Blogbeiträge zu den aktuellen Änderungen im Zusammenhang mit der ertragsteuerlichen und umsatzsteuerlichen Behandlung von Photovoltaikanlagen verfasst. Dieser Beitrag ist als Ergänzung des Beitrags „ Nullsteuersatz für Umsätze im Zusammenhang mit bestimmten Photovoltaikanlagen “ zu verstehen. Das Bundesministerium der Finanzen hat am 30.11.2023 ein BMF-Schreiben (III C 2 - S 7220/22/10002 :013) zu Einzelfragen bei der Anwendung des Nullsteuersatzes für bestimmte Photovoltaikanlagen (§ 12 Abs. 3 UStG) erlassen sowie den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) angepasst. Das Schreiben ist eine Ergänzung des BMF-Schreibens vom 27.02.2023 (III C 2 -S 7220/22/10002 :010) zur Einführung des Nullsteuersatzes für die Lieferung von Photovoltaikanlagen. II. Im Detail 1. Entnahme aus dem Betriebsvermögen In dem BMF-Schreiben vom 27.02.2023 ist geregelt, dass eine Entnahme oder eine unentgeltliche Zuwendung einer Photovoltaikanlage, die vor dem 01.01.2023 erworben wurde und die zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, als unentgeltliche Wertabgabe gemäß § 3 Abs. 1b UStG der Umsatzsteuer unterliegt. Eine unentgeltliche Wertabgabe ist eine Abgabe in den außerunternehmerischen Bereich, die sich auf den Unternehmensgewinn auswirkt. Eine Entnahme des gesamten Gegenstandes (Photovoltaikanlage) ist nur möglich, wenn zukünftig voraussichtlich mehr als 90 % des erzeugten Stroms für nichtunternehmerische Zwecke verwendet werden. Davon ist auszugehen, wenn der Betreiber beabsichtigt, zukünftig mehr als 90 % des mit der Photovoltaikanlage erzeugten Stroms für unternehmensfremde Zwecke zu verwenden. Hierfür wurde eine Vereinfachungsregelung eingeführt (Rn. 5 des BMF-Schreibens vom 27.02.2023). Die Voraussetzungen für diese Vereinfachungsregelung wurde nun im neuen BMF-Schreiben konkretisiert. Wenn ein Teil des mit der Photovoltaikanlage erzeugten Stroms z. B. in einer Batterie gespeichert wird, durch die nicht nur gelegentliche Ladung eines privaten E-Fahrzeugs, den Betrieb einer privaten Wärmepumpe oder durch eine Rentabilitätsrechnung eine Nutzung für unternehmensfremde Zwecke von über 90 % nachgewiesen wird, liegt eine Entnahme vor. Die Anwendung der Vereinfachungsregelung stellt ein Wahlrecht für den Unternehmer dar. Die Ausübung dieses Wahlrechts ist vom Unternehmer zu dokumentieren, beispielsweise durch eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Finanzamt. Eine rückwirkende Entnahme der Photovoltaikanlage ist nicht möglich. 2. Vorsteuerabzug bei einer zum Privatvermögen gehörenden Photovoltaikanlage Das neue BMF-Schreiben stellt klar, dass ein Vorsteuerabzug aus Lieferungen oder sonstigen Leistungen, die für eine entnommene Photovoltaikanlage bezogen worden sind, nur in Höhe der unternehmerischen Nutzung möglich ist. Das heißt es ist das Verhältnis der unternehmerischen Nutzung zur unternehmensfremden Nutzung maßgeblich (vgl. A. 15.2c Abs. 3 S. 2 UStAE). Für den Vorsteuerabzug müssen gleichzeitig die weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG vorliegen. Das bedeutet, der Unternehmer benötigt eine Rechnung (§ 14 UStG) in der die Steuer gesondert ausgewiesene ist und die gesetzlich geschuldet wird. Des Weiteren muss die Lieferung oder sonstige Leistung von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt werden. 3. Begriff der Sachgesamtheit Gemäß dem BMF-Schreiben vom 30.11.2023 soll der Begriff der Sachgesamtheit beachtet werden. Sachgesamtheit bedeutet das Zusammenfassen mehrerer selbständiger Gegenstände zu einem einheitlichen Ganzen (vgl. A 3.1 Abs.1 S. 3 UStAE). Im UStAE ist explizit geregelt, dass die gleichzeitige Anschaffung einer Photovoltaikanlage und eines Stromspeichers in einem einheitlichen (Werk-)Vertrag eine Sachgesamtheit bildet (vgl. A 3.1 Abs. 1 S. 4 UStAE). Die Gesamtanlage (im vorgenannten Fall Photovoltaikanlage plus Stromspeicher) stellt das Zuordnungsobjekt (Privatvermögen oder Betriebsvermögen) dar. Sofern die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG erfüllt sind, ist für die Sachgesamtheit der Nullsteuersatz anzuwenden. 4. Option zur Regelbesteuerung vor dem 1.1.2023 Das neue BMF-Schreiben führt explizit aus, dass Steuerpflichtige, die vor dem 01.01.2023 eine Photovoltaikanlage angeschafft haben und wirksam zur Regelbesteuerung optiert haben die Bindungsfrist von 5 Jahren nach § 19 Abs. 2 S. 2 UStG zu beachten haben. In der jüngsten Vergangenheit unterlagen Steuerpflichtige, ohne weiterer unternehmerischer Betätigung, mit Ihrer Photovoltaikanlage der Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG. Es bestand die Möglichkeit zur Regelbesteuerung nach § 19 Abs. 2 UStG zu optieren. Das bedeutet der Steuerpflichtige hat sich freiwillig der Umsatzbesteuerung unterworfen, durfte dafür aber auch den Vorsteuerabzug geltend machen. Diese Option bindet den Steuerpflichtigen für 5 Jahre. Hat der Steuerpflichtige seine Anlage also vor dem 01.01.2023 erworben und zur Regelbesteuerung optiert, ist er für 5 Jahre an diese Regelbesteuerung gebunden, auch wenn er die Photovoltaikanlage nun aus dem Unternehmen entnommen hat. Ein vorzeitiger Wechsel in die Kleinunternehmerregelung ist nicht möglich. Die Einspeisevergütung unterliegt weiterhin der Umsatzsteuer. 5. Wechsel zur Kleinunternehmerregelung § 15a UStG regelt grundsätzlich die Änderungen beim Vorsteuerabzug, wenn sich die Verhältnisse, die ursprünglich zu einem Vorsteuerabzug eines Wirtschaftsguts geführt haben, welches nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird, innerhalb von 5 bzw. 10 Jahren ändern. In diesem Zusammenhang hält das BMF-Schreiben vom 30.11.2023 fest, dass ein Wechsel zur Kleinunternehmerregelung nur dann eine Änderung der Verhältnisse gegenüber dem ursprünglichen Vorsteuerabzug darstellt, wenn sich die Photovoltaikanlage noch im Unternehmen befindet. Laut BMF-Schreiben ist eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 15a Abs. 7 UStG bereits dann nicht mehr gegeben, wenn die Entnahme der Photovoltaikanlage nur eine juristische Sekunde vor dem Wechsel in die Kleinunternehmerschaft erfolgt. III. Auswirkungen auf die Praxis In dem BMF-Schreiben vom 30.11.2023 werden einige Detailfragen im Zusammenhang mit der Photovoltaikanlage geregelt. In der Praxis sollte genau geprüft werden, wann die Photovoltaikanlage angeschafft wurde und ob bzw. welche Anträge bisher gestellt wurden um insbesondere die Fünfjahresfrist bei der Option zur Regelbesteuerung zu beachten. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.
von Dirk Roßmann 19 Feb., 2024
I. Einleitung Zieht ein unbeschränkt Steuerpflichtiger ins Ausland und hält er Kapitalgesellschaftsanteile (i. H. v. mindestens 1 %) i.S.d. § 17 EStG, kann dies die sog. Wegzugsbesteuerung nach § 6 Außensteuergesetz (AStG) auslösen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte in jüngster Zeit vermehrt die Gelegenheit zur Wegzugsbesteuerung Stellung zu beziehen (siehe dazu bereits unsere Blogbeiträge vom 23. Mai 2023 sowie vom 29. Januar 2024 ). Für den Wegziehenden stellt die sofortige Zahlung der Steuer im Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes in der Praxis eine hohe Hürde dar, die einen Wegzug ins Ausland deutlich erschwert. Nach alter Rechtslage erfolgte bei Wegzug in einen EU-/EWR-Staat eine zinslose Stundung ohne Sicherheitsleistung (§ 6 Abs. 5 AStG a. F.) bzw. in einen Drittstaat eine Teil-Stundung gegen Sicherheitsleistung mit Zahlung der Steuerschuld in maximal fünf Raten (§ 6 Abs. 4 AStG a.F.). Nunmehr musste der BFH zur Wegzugsbesteuerung im Hinblick auf die Schweiz urteilen (Urt. v. 6. September 2023, I R 35/20). II. Urteilssachverhalt Der über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügende Kläger löste durch seinen Wegzug in 2011 in die Schweiz im Hinblick auf seine 50%ige Beteiligung an einer schweizerischen Kapitalgesellschaft die Wegzugsbesteuerung aus (§ 6 Abs. 1 AStG i. V. m. § 17 EStG). Der Kläger wies im Einspruchsverfahren darauf hin, dass eine Besteuerung nicht mit dem zwischen der EU und der Schweiz geschlossenem Freizügigkeitsabkommen (FZA) im Einklang stünde, da die Besteuerung nicht realisierter stiller Reserven eine abschreckende Wirkung habe und für das FZA keine dem § 6 Abs. 5 AStG entsprechende Stundungsregelung vorgesehen sei. Das Finanzamt (FA) wies den Einspruch zurück. Im Rahmen des Klageverfahrens richtete das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH); mit dem Urteil Wächtler (v. 26.02.2019 – C-581/17) stellte dieser eine Verletzung des FZA-Niederlassungsrechts fest. Das FG gab daraufhin der Klage statt, gegen die sich das FA mit der eingelegten Revision wendete und geltend machte, dass die Festsetzung der Wegzugssteuer gemäß § 6 AStG zulässig und für die Stundung nicht auf das Steuerfestsetzungs-, sondern das Steuererhebungsverfahren abzustellen sei. III. Entscheidung des BFH Nach Auffassung des BFH ist die Revision des FA begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage. Im Streitfall sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 AStG erfüllt. Die in § 6 Abs. 4 AStG zeitlich befristete Teil-Stundung hat der Kläger ausdrücklich nicht (mehr) beantragt. Eine Stundung nach § 6 Abs. 5 AStG kommt im Übrigen nur bei einem Wegzug in einem Mitgliedstaat der EU oder einem EWR-Vertragsstaat in Betracht und ist daher im Streitfall nicht einschlägig. Rechtsfehlerfrei hat das FG berücksichtigt, dass es an die im Vorabentscheidungsverfahren ergangene Entscheidung des EuGH gebunden ist. Danach hat der EuGH in seinem Urteil Wächtler das deutsche, aus Regelungen für die Steuerfestsetzung und Regelungen für die Steuererhebung bestehende und insbesondere in § 6 Abs. 1, 4 und 5 AStG kodifizierte „System“ der Wegzugsbesteuerung bei Wegzügen in die Schweiz verworfen, weil es das FZA-Niederlassungsrecht der betroffenen Steuerpflichtigen verletzt. Demnach sei eine dauerhafte und zinslose Stundung des gesamten Betrags der Wegzugssteuer geboten. Die Stundung darf gegebenenfalls von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden, nicht aber mit einer Verzinsung einhergehen. Entgegen der Vorinstanz hindere das FZA jedoch nicht, die Wegzugssteuer im Zeitpunkt des Wegzuges festzusetzen. IV. Auswirkungen auf die Praxis Der BFH hat eindeutig klargestellt, dass im Urteilsfall zur Rechtslage 2011 „kein Zweifel“ an der Notwendigkeit einer dauerhaften und zinslosen Stundung bestehe. Sofern Steuerpflichtige im Hinblick auf die Schweiz in der Vergangenheit Wegzugssteuer gezahlt haben, sollte geprüft werden, ob eine Rückerstattung möglich ist. Eine Sicherheitsleistung kann grundsätzlich verlangt werden. Zukünftige Ausschüttungen sollte vor dem Hintergrund des am 27. Dezember 2023 verkündeten Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz betrachtet werden, die zur einem Wegfall der Stundung führen kann. Spannend bleibt die Frage, ob das Urteil über den Einzelfall hinaus auf die aktuelle Fassung von § 6 AStG übertragbar ist, wonach auch für Wegzüge innerhalb der EU/EWR nicht länger eine grundsätzliche Stundungsmöglichkeit vorgesehen wird. Für Rückfragen zum Thema „Wegzugsbesteuerung“ und deren Vermeidung sowie zu dem o.g. Urteil stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508-100 gerne zur Verfügung.
von Beatrice Lückert 14 Feb., 2024
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben am 17. November 2023 das sogenannte Wachstumschancengesetz verabschiedet, mit dem die Bundesregierung die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland stärken will. Der Bundesrat hat den Regierungsentwurf allerdings am 24. November 2023 gestoppt und an den Vermittlungsausschuss übergeben. Dieser soll sich am 21. Februar 2024 mit dem Wachstumschancengesetz befassen. Das Vermittlungsergebnis wird voraussichtlich in der Bundesratssitzung am 22. März 2024 beschlossen. Da viele der Regelungen bereits ab dem Jahreswechsel 2023/2024 gelten sollen, werden diese voraussichtlich rückwirkend in Kraft treten, sobald das Wachstumschancengesetz beschlossen ist. Mit dem Wachstumschancengesetz sind unter anderem diverse Änderungen für Abschreibungen geplant. Nachfolgend geben wir einen kurzen Überblick über die geplanten Änderungen im Bereich der Abschreibungen: I. Degressive Abschreibung bei beweglichen Wirtschaftsgütern Für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens konnte gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 EStG für die Jahre 2020 bis 2022 „vorübergehend“ die degressive Abschreibung als konjunkturstützende Maßnahme in Anspruch genommen werden. Nunmehr soll es erneut vorübergehend ermöglicht werden für bewegliche Wirtschaftsgüter, die nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.1.2025 angeschafft oder hergestellt worden sind, die degressive Abschreibung abermals einzuführen. Der dabei anzuwendende Prozentsatz darf höchstens das Zweieinhalbfache des bei der linearen Abschreibung in Betracht kommenden Prozentsatzes betragen und 25 % nicht übersteigen. Sinnvoll ist die Anwendung für bewegliche Wirtschaftsgüter deren Nutzungsdauer mehr als 4 Jahre beträgt. Die degressive Abschreibung führt zu Beginn des Abschreibungszeitraums zu einer höheren Abschreibung und am Ende zu einer niedrigeren Abschreibung. Letztlich führt die zeitliche Verschiebung nur zu einem reinen Zinseffekt. Zu beachten ist hierbei, dass es im Fall der Bilanzierung insoweit zum Auseinanderfallen zwischen Handels- und Steuerbilanzansatz kommen kann. II. Degressive Abschreibung bei Wohngebäuden Aufgrund des Wohnraummangels in Ballungsgebieten sowie anhaltender wirtschaftlicher Belastungen durch hohe Baukosten (Anstieg der Rohstoffpreise, erhöhte Finanzierungskosten) soll, zur Förderung des Wohnungsbaus und zur Unterstützung der Bauwirtschaft, die Inanspruchnahme einer geometrisch- degressiven Abschreibung für Gebäude mit fallenden Jahresbeträgen befristet eingeführt werden. Der Gesetzentwurf sieht im neuen § 7 Abs. 5a EStG folgende Voraussetzungen vor: ausschließlich für neue Gebäude, die Wohnzwecken dienen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes belegen sind, Baubeginn des Wohngebäudes muss zwischen dem 1.10.2023 und dem 30.9.2029 liegen. Maßgebend ist hier die Baubeginnsanzeige. Eine Baubeginnsanzeige ist eine formelle Mitteilung, die von einer Baufirma oder einem Bauherren an die zuständige Bauaufsichtsbehörde gesendet wird, um den Beginn eines Bauprojekts anzuzeigen. Die Baubeginnsanzeige enthält regelmäßig Informationen über das geplante Bauprojekt, den Standort, den Zeitplan und andere relevante Details. Sie ermöglicht den Behörden, die Baustelle zu überwachen und sicherzustellen, dass das Projekt den genehmigten Plänen entspricht und alle erforderlichen Standards eingehalten werden. Beim Kauf einer Immobilie muss der Vertrag zwischen dem 1.10.2023 und dem 30.9.2029 rechtswirksam geschlossen werden. Die Immobilie muss bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung erworben werden. D. h. die Fertigstellung des Gebäudes und die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über das Gebäude müssen im gleichen Kalenderjahr erfolgen. Der Steuerpflichtige trägt die Nachweispflicht. Im Erstjahr können sechs Prozent der Investitions-/Anschaffungskosten steuerlich in Abzug gebracht werden. In den darauffolgenden Jahren sind dann jeweils sechs Prozent des Restwertes abzugsfähig. Die Abschreibung hat pro rata temporis zu erfolgen. Ein Wahlrecht zum Wechsel zur linearen AfA nach § 7 Abs. 4 EStG ist vorgesehen. Die lineare Absetzung für Abnutzung ist nach dem Wechsel zur Absetzung für Abnutzung nach § 7 Abs. 4 Nr. 2a EStG vom Restwert vorzunehmen. Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzungen sind neben der degressiven Abschreibung nicht zulässig. Soweit Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzungen eintreten, kann zur linearen AfA gewechselt werden. Die Abschreibung stellt sich beispielhaft wie folgt dar: Bei EUR 500.000,00 Investitionskosten (1.2025) sollen im ersten Jahr EUR 30.000,00 (sechs Prozent von EUR 500.000,00), im zweiten Jahr EUR 28.200,00 (EUR 500.000,00 Euro abzüglich der EUR 30.000,00 vom ersten Jahr = EUR 470.000,00 Restwert davon sechs Prozent). III. Geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) Bisher ist für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter ein voller Betriebsausgabenabzug im Wirtschaftsjahr der Anschaffung, Herstellung oder Einlage des Wirtschaftsgutes möglich, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert für das einzelne Wirtschaftsgüter EUR 800,00 nicht überschreitet (GWG-Grenze). Hierbei ist zu beachten, dass Wirtschaftsgüter, die einen Wert von mehr als EUR 250,00 ausweisen, im Anlageverzeichnis aufzunehmen sind. Die GWG-Grenze soll für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31.12.2023 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt werden, um EUR 200,00 auf EUR 1.000,00 erhöht werden. IV. Sammelposten Nach aktueller Rechtslage kann für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ein Sammelposten im Wirtschaftsjahr der Anschaffung, Herstellung oder Einlage gebildet werden, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder an deren Stelle tretende Wert für das einzelne Wirtschaftsgut EUR 250,00, aber nicht EUR 1.000,00 übersteigen. Der Sammelposten ist im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den folgenden vier Wirtschaftsjahren gleichmäßig gewinnmindernd aufzulösen. Das Wachstumschancengesetz sieht eine deutliche Anhebung der Betragsgrenze für das einzelne Wirtschaftsgut um EUR 4.000,00 auf EUR 5.000,00 vor. Zudem soll die Auflösungsdauer von fünf auf drei Jahre verkürzt werden. Diese Änderung soll erstmals auf Wirtschaftsgüter Anwendung finden, die nach dem 31.12.2023 angeschafft/hergestellt werden. Für geringwertige Wirtschaftsgüter ergeben sich daher folgende Abschreibungsvarianten:
von Meike Kuhn 05 Feb., 2024
I. Einleitung Im Steuerrecht liegt eine doppelte Haushaltsführung vor, wenn aus beruflichen Gründen ein Arbeitnehmer neben seiner eigentlichen Wohnung auch noch eine Zweitwohnung am Beschäftigungsort hat. Die Führung eines zweiten Haushaltes muss konkreten beruflichen Zwecken dienen. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige den Zweithaushalt nutzt, um von dort aus seine erste Tätigkeitsstätte aufzusuchen. Liegt eine solche beruflich bedingte doppelte Haushaltsführung vor, so können grundsätzlich alle durch die doppelte Haushaltsführung veranlassten notwendigen Mehraufwendungen , als Werbungskosten berücksichtigt werden (§ 9 Absatz 1 Nr. 5 EStG). Das sind meist insbesondere Unterkunfts-kosten am Ort der Tätigkeitsstätte, Kosten für Familienheimfahrten, Aufwendungen für die Wohnungseinrichtung der Zweitwohnung, Umzugskosten und Kosten für einen Stellplatz. In dem BMF-Schreiben „Steuerliche Behandlung der Reisekosten von Arbeitnehmern“ vom 25.11.2020 (BStBl I 2020, 1228) werden weitere Details zur doppelten Haushaltsführung dar-gestellt. II. Bisherige Regelung zu den Unterkunftskosten Wie bereits oben dargelegt, können Unterkunftskosten für die Zweitwohnung im Ausland im Rahmen der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten geltend gemacht werden. Seit dem Jahr 2014 gelten für die Berücksichtigung von Unterkunftskosten (§ 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 4 EStG) jedoch besondere Einschränkungen. Als Unterkunftskosten für eine doppelte Haushaltsführung können im Inland die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft angesetzt werden, jedoch höchstens 1.000 EUR im Monat . Der Höchst-betrag umfasst sämtliche entstehenden Aufwendungen wie Miete, Betriebskosten, Kosten der laufenden Reinigung und Pflege der Zweitwohnung, Zweitwohnungsteuer, die vom Arbeitnehmern selbst getragen werden. Die Finanzverwaltung vertrat bisher außerdem die Auffassung, dass bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland die Aufwendungen nur als Werbungskosten berücksichtig werden können, soweit sie die ortsübliche Miete für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittlichen Wohnung am Ort der Tätigkeitsstätte mit einer Wohnfläche bis zum 60 qm nicht überschreiten (BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 112). Zu diesen Einschränkungen beim Ansatz der Unterkunftskosten als Werbungskosten, hat der Bundesfinanzhof jüngst – wie nachfolgend dargestellt – geurteilt. III. Urteil des Bundesfinanzhofs zu Unterkunftskosten bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland Am 9. November 2023 wurde ein Urteil des Bundesfinanzhofs zur Beurteilung von Unterkunftskosten bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland veröffentlich (BFH-Urteil vom 9. August 2023 - VI R 20/21). Bei dem zu entscheidenden Sachverhalt handelte es sich um einen Steuerpflichtigen, der für die Bundesrepublik Deutschland als Botschafter tätig war. Neben seiner Wohnung im Inland, hatte der Steuerpflichtige zusammen mit seiner Ehe-frau an seinen jeweiligen Tätigkeitsstätten im Ausland eine Dienstwohnung in der Größe von 250 qm bzw. in der Größe von 186 qm. Diese (nacheinander genutzten) Wohnungen wurden dem Steuerpflichtigen beamtenrechtlich zugewiesen. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung hat der Steuerpflichtige die Kosten für die Nutzung der Wohnungen im Rahmen der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten geltend gemacht. Das Finanzamt erkannte die doppelte Haushaltsführung dem Grunde nach an. Dem Werbungskostenabzug für die Unterkunft wurde jedoch nur anteilig auf die Begrenzung der Wohnfläche von 60 qm zugestimmt. Der Einspruch des Steuerpflichtigen war erfolglos. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz stimmte dem Steuerpflichtigen zu (Urteil vom 22. Juni 2021 – 3 K 1255/20). Gegen dieses Urteil legte das Finanzamt Revision ein. Mit Urteil vom 9. November 2023 hat der Bundesfinanzhof die Revision des Finanzamtes als unbegründet zurückgewiesen . Der Bundesfinanzhof erläutert in seiner Begründung, dass die Begrenzung der zu berücksichtigenden Unterkunftskosten auf 1.000 EUR (gemäß § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 4 EStG) auf Grund des Wortlauts nur für Inlandssachverhalte Gültigkeit hat. Eine Anwendung der Regelung auf eine im Ausland gelegene Zweitwohnung scheidet aus. Somit verbleibt es bei der Regelung, dass notwendige Unterkunftskosten als Werbungskosten abzugsfähig sind (§ 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 1 EStG). Der Bundesfinanzhof hat in seiner Begrün-dung geschrieben, dass eine Typisierung dahingehend, dass Unterkunftskosten, die den Durchschnittsmietzins einer 60 qm-Wohnung am Beschäftigungsort nicht überschreiten, für Auslandssachverhalte und damit im Streitfall nicht in Betracht kommt . Der Bundesfinanzhof führt das dahingehend aus, dass eine solche Regelung bei Auslandssachverhalten schlichtweg nicht handhabbar ist, denn belastbare Feststellungen zum ortsüblichen Mietzins je Quadratmeter für eine durchschnittliche Wohnung im Ausland kann weder von den Beteiligten im Veranlagungsverfahren erhoben noch von den Finanzgerichten belastbar überprüft werden. Der Bundesfinanzhof kommt zu dem Schluss, dass bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland stets im Einzelfall zu prüfen ist, welche Unterkunftskosten im Ausland als notwendig anzusehen sind. Im hier vorliegenden konkreten Fall kam zusätzlich hinzu, dass der Steuerpflichtige seine Unterkunft im Ausland nicht frei wählen konnte, sondern ihm eine Dienstwohnung zur Verfügung gestellt wurde. Der Bundesfinanzhof kam in diesem Sachverhalt zu dem Schluss, dass die Entscheidung des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz zutreffend war und die Kosten für die Unterkunft , unabhängig von der Wohnfläche, in vollem Umfang als Kosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung zu berücksichtigen sind. IV. Auswirkungen auf die Praxis Die Rechtsprechung kann für Personen mit einer doppelten Haushaltsführung im Ausland von Bedeutung sein. Offene Fälle sollten dahingehend genau analysiert werden. In dem vorstehend dargestellten Urteil handelt es sich jedoch um einen sehr speziellen Fall, da dem Steuerpflichtigen jeweils eine Dienstwohnung zugewiesen wurde. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung auch in anderen Fällen der Argumentation des Bundesfinanzhofes folgt und möglicherweise das BMF-Schreiben entsprechend anpasst. Für Rückfragen und für weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508-100 gerne zur Verfügung.
von Dirk Roßmann 29 Jan., 2024
I. Einleitung Zieht ein unbeschränkt Steuerpflichtiger ins Ausland und hält er Kapitalgesellschaftsanteile (i. H. v. mindestens 1 %) i.S.d. § 17 EStG, kann dies die sog. Wegzugsbesteuerung nach § 6 Außensteuergesetz (AStG) auslösen. Voraussetzung ist hierfür u.a. die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht oder der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile. Nicht selten kommt es vor, dass nach dem Wegzug nachträglich eine Wertminderung der Anteile eintritt und diese durch Anteilsveräußerung realisiert wird. Die Wertminderung kann im Rahmen des § 6 AStG berücksichtigt werden, sofern diese im Zuzugsstaat steuerlich nicht berücksichtigt worden ist. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 26. Juli 2023 (Az. I R 39/20, NV) die „Nichtberücksichtigung im Zuzugsstaat“ konkretisiert. II. Urteilssachverhalt Die Klägerin hielt 50% der Anteile an einer GmbH und verzog in 2012 von Deutschland nach Österreich. Zum Zeitpunkt des Wegzugs setzte das Finanzamt einen fiktiven Veräußerungsgewinn fest. In Österreich bezog die Klägerin lediglich in Deutschland steuerpflichtige Renten. In 2016 veräußerte die Klägerin den Anteil mit einem geringeren Wert als den zum Wegzugszeitpunkt festgesetzten Veräußerungsgewinn. Das Finanzamt widerrief die gewährte Stundung. Die vom Kläger begehrte Änderung des Einkommensteuerbescheides 2012 hinsichtlich der nachträglichen Wertminderung lehnte das Finanzamt ab. Der Einspruch blieb ebenso wie die Klage beim FG Münster erfolglos. III. Entscheidung des BFH Nach Auffassung des BFH ist die zwischen Wegzug und Anteilsveräußerung eingetretene Wertminderung im Wege der Änderung der festgesetzten „Wegzugssteuer“ zu berücksichtigen. Ist bei einer Veräußerung der Beteiligung der Veräußerungsgewinn i.S.d. § 17 Abs. 2 EStG im Zeitpunkt der Beendigung der Stundung niedriger als der Vermögenszuwachs nach § 6 Abs. 1 AStG und wird die Wertminderung bei der Einkommensbesteuerung durch den Zuzugsstaat nicht berücksichtigt, ist der Steuerbescheid insoweit aufzuheben oder zu ändern. Diese tatbestandliche Anforderung ist dahin zu verstehen, dass es auf die konkrete Berücksichtigung der Wertminderung im Rahmen des durch eine Finanzbehörde des Zuzugsstaats durchgeführten Besteuerungsverfahrens ankommt, z. B. in einem Einkommensteuerbescheid. Ist es zu einer solchen Berücksichtigung nicht gekommen, z. B. weil der Zuzugsstaat den Veräußerungsvorgang im Einzelfall nicht besteuert, ist das Eingreifen der Korrekturnorm des § 6 Abs. 6 S. 1 AStG nicht weitergehend davon abhängig, dass der Steuerpflichtige eine Steuererklärung eigens zu dem Zweck abgegeben hat, eine Entscheidung der ausländischen Steuerbehörde über die Frage der Berücksichtigung der Wertminderung herbeizuführen. Zwar habe die Feststellungslast für die Nichtberücksichtigung der Wertminderung im Zuzugsstaat der Steuerpflichtige zu tragen. Allerdings muss die Nichtberücksichtigung der Wertminderung im Zuzugsstaat nicht auf einer (finanz-)behördlichen Entscheidung beruhen. Eine „Erklärungspflicht“ als Voraussetzung kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass den Steuerpflichtigen die Feststellungslast für die Nichtberücksichtigung der Wertminderung im Zuzugsstaat träfe. IV. Auswirkungen auf die Praxis Grundsätzlich berücksichtigt die Wegzugsteuer auch nachträgliche Wertminderungen, wenn dies im Zuzugsstaat nicht erfolgt. Die Feststellungslast trifft den Steuerpflichtigen und stellt in der Praxis oftmals eine hohe Hürde dar. Nach Auffassung des BFH setzt die Korrektur der Veranlagung des Wegzugjahres aufgrund einer nach dem Wegzug eingetretenen Wertminderung der Anteile nicht voraus, dass der im Ausland nicht verpflichtete Steuerpflichtige die Berücksichtigung der Wertminderung im Zuzugsstaat erfolglos beantragt hat. Im Streitfall hatte die Klägerin nach ihrem Umzug nach Österreich aus diversen Gründen (hohes Lebensalter, der Besteuerung des Wegzugsstaats unterliegende Rentenbezüge, Fehlen weiterer Einkunftsquellen und Ähnliches) dort „nichts zu versteuern“ und war deshalb nicht erklärungspflichtig. Ob und inwieweit eine Wertminderung auch dann berücksichtigt werden kann, wenn der Steuerpflichtige bewusst gegen eine im Zuzugsstaat bestehende Erklärungspflicht verstößt, musste im Streitfall nicht entschieden werden. Dem Weggezogenen ist zu raten, die steuerlichen Folgen vor Veräußerung im Zuzugsstaat mit einem Rückzug nach Deutschland und der hier zu erfolgenden Besteuerung des Veräußerungsgewinnes zu vergleichen. Für Rückfragen zum Thema „Wegzugsbesteuerung“ und deren Vermeidung sowie zu dem o.g. Urteil stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508-100 gerne zur Verfügung.
von Dr. Tobias von Cölln 25 Jan., 2024
I. Überblick Bis zum 31. Januar 2023 mussten alle Grundsteuererklärungen für Zwecke der Neubewertung eingereicht werden. Bewertungsstichtag ist der 1. Januar 2022. Gleichwohl trifft den Steuerpflichtigen künftig auch eine Pflicht zur Anzeige von Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse im Immobilienbestand nach dem 1. Januar 2022. Der Steuerpflichtige muss demnach bis zum 31. Januar 2024 (länderspezifisch ggfs. bis zum 31. März 2024) prüfen, ob sich im vorangegangen Kalenderjahr anzeigepflichtige Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen des Immobilienbestandes ergeben haben, die sich auf den Grundsteuerwert auswirken. Die Pflicht zu Anzeige der Änderung kann auch durch das Einreichen einer geänderten Grundsteuererklärung erfüllt werden. Bei verspäteter Abgabe der Anzeige können Verspätungszuschläge und ggfls. sogar straf- oder bußgeldrechtliche Verfahren drohen. II. Im Detail 1. Die neuen Anzeigepflichten Bis dato sah das alte Grundsteuerrecht, einhergehend mit dem Bewertungsgesetz, keine individuellen Anzeigepflichten für den Steuerpflichtigen vor. Die Feststellungserklärungen waren, bzw. sind bis einschließlich 2024 lediglich nach Aufforderung durch das Finanzamt einzureichen. Künftig wird jedoch eine Anzeigepflicht nach § 228 Abs. 2 BewG ausgelöst, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse ändern und sich die Änderungen auf die Höhe des Grundsteuerwertes auswirken (§ 230 BewG). Entsprechendes gilt bei Auswirkungen auf die Vermögensart (§ 218 BewG) oder die Grundstücksart (§ 249 BewG). Ob im Falle von wertrelevanten Änderungen die Fortschreibungsgrenze i. H. v. 15.000 Euro erreicht wird (§ 222 Abs. 1 BewG), ist für das Bestehen der Anzeigepflicht ohne Bedeutung . Das Gesetz knüpft die Anzeigepflicht allein an die tatsächliche Veränderung und ihre Relevanz für die Höhe des Grundsteuerwertes an, nicht an die konkrete Fortschreibungsrelevanz. Die Anzeigepflicht erfasst dem Wortlaut nach auch solche Umstände, die zu einer Minderung des Grundsteuerwertes führen. Konkreter Handlungsbedarf besteht demnach, sofern die Änderung erklärungsrelevant ist, d. h. zu einer Nachfeststellung, Neuveranlagung, Artfortschreibung, Wertfortschreibung oder Art- und Wertfortschreibung bei dem jeweiligen Grundstück führt. Dies kann beispielsweise bei einem Wechsel der Vermögensart oder der Art des Grundstücks, einer Flächenänderungen des Grundstücks oder des Gebäudes oder der Fertigstellung oder des Abrisses eines Gebäudes gegeben sein. Die Anzeige ist jeweils auf den Beginn des Kalenderjahres abzugeben , das dem Jahr der Änderung folgt. Die Frist dazu beträgt regelmäßig einen Monat und beginnt mit dem Kalenderjahr, für das die Anzeige abzugeben ist (§ 228 Abs. 2 Satz 3 BewG). In den jeweiligen Ländermodellen Bayern, Hamburg und Niedersachsen müssen Anzeigen bis zum 31. März des jeweiligen Folgejahres abgegeben werden (vgl. dazu insbesondere § 8 Abs. 5 NSGrStG, Art. 6 Abs. 5 BayGrStG und § 6 Abs. 5 HmbGrStG). 2. Erklärungs- und anzeigepflichtige Personen Die Erklärung nach § 228 Abs. 1 BewG und die Anzeige nach § 228 Abs. 2 BewG sind im Regelfall von derjenigen Person abzugeben, der das Grundstück im Feststellungszeitpunk wirtschaftlich zuzurechnen ist, also grundsätzlich dem wirtschaftlichen Eigentümer . Das wirtschaftliche Eigentum begründet sich regelmäßig mit dem Übergang von Nutzen und Lasten und somit vor Übergang des zivilrechtlichen Eigentums (Grundbucheintrag). Besonderheiten – und insbesondere spezielle Mitwirkungspflichten – gibt es bei Erbbaurechtsgrundstücken und Grundstücken auf fremden Grund und Boden . Da in Erbbaurechtsfällen das Grundstück dem Erbbauberechtigten zugerechnet wird, ist folgerichtig der Erbbauberechtigte verpflichtet , die Feststellungserklärung oder Anzeige abzugeben. Der Erbbauverpflichtete hat an der Erklärung oder Anzeige mitzuwirken. Bei einem Gebäude auf fremdem Grund und Boden ist der Grundstückseigentümer verpflichtet , die Steuererklärung oder Anzeige abzugeben. Der wirtschaftliche Eigentümer des Gebäudes hat mitzuwirken (vgl. § 228 Abs. 3 BewG sowie A 228 Abs. 3 AEBewGrSt). Ist der Erklärungs- oder- Anzeigepflichtige zwischenzeitlich verstorben , trifft die Pflicht zur Abgabe der Erklärung oder Anzeige bzw. zur Berichtigung der selbigen (z. B. gem. § 153 Abs. 1 AO) den Erben oder ggfls. den Testamentsvollstrecker bzw. den Nachlasspfleger . 3. Elektronische Abgabepflicht Die Erklärungen zur Feststellung der Grundsteuerwerte und die Anzeigen über die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse sind elektronisch nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung an das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt zu übermitteln (§ 228 Abs. 4-6 BewG). Örtlich zuständig ist das jeweilige Lagefinanzamt (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 AO). Nur auf Antrag und zur Vermeidung unbilliger Härten kann das Finanzamt auf eine elektronische Übermittlung verzichten. Als Befreiungsgründe kommen insbesondere in Betracht, wenn die Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist (§ 150 Abs. 8 AO). Gegenwärtig existiert für die Änderungsanzeige der amtliche Erklärungsvordruck „Grundsteuer-Änderungsanzeige GW-5“ ausschließlich in Papierform. Gleichwohl hat das Bayerische Landesamt für Steuern einheitlich für alle Grundsteuermodelle verkündet, dass die Übermittlung einer vollständigen Erklärung eine Änderungsanzeige ersetzt und den empfohlenen und mit den Finanzverwaltungen aller Bundesländer abgestimmten Weg darstellen soll. 4. Berichtigungspflicht Neben den allgemeinen Erklärungs- und Anzeigepflichten bestehen darüber hinaus die allgemeinen verfahrensrechtlichen Berichtigungspflichten weiterhin fort. Sollte der Steuerpflichtige nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennen, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und das es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist (§ 153 AO; A 228 Abs. 5 Satz 6 AEBewGrSt) hat er dies unverzüglich anzuzeigen und eine Richtigstellung vorzunehmen. Wichtig ist in diesem Fall darauf hinzuweisen, dass die Korrektur ohne schuldhaftes Zögern erfolgen muss und regelmäßig nicht erst im Rahmen der Anzeigepflicht im folgenden Kalenderjahr erfolgen kann. Im Zusammenhang mit der Korrektur von nicht oder falsch abgegebene Erklärungen ist dem Steuerpflichtigen dringend anzuraten, die Korrektur der entsprechenden Sachverhalte von einem Rechtsanwalt oder Steuerberater prüfen und begleiten zu lassen, um etwaig straf- oder bußgeldrechtliche Konsequenzen im Blick zu halten und rechtsicher handhaben zu können. 5. Rechtsfolgen bei Nichtabgabe oder Nichtanzeige Die Erfüllung der Erklärungs- und Anzeigepflichten ist grundsätzlich seitens der Finanzverwaltung erzwingbar (§§ 328 ff. AO). Bei Nichterfüllung oder nicht fristgerechter Erfüllung ist grundsätzlich ein Verspätungszuschlag festzusetzen (§ 152 Abs. 1 und 2 AO). Wird eine Erklärung nach Aufforderung dennoch nicht eingereicht, kann das Finanzamt den Grundsteuerwert schätzen (§ 162 AO). Die Verpflichtung zur Abgabe einer Erklärung wird dadurch aber nicht berührt (§ 149 Abs. 1 Satz 4 AO). Ungeachtet dessen kann das vorsätzliche oder leichtfertige Versäumnis der Abgabe- oder Anzeigepflichten straf- oder bußgeldrechtliche Verfahren nach sich ziehen und zu nicht unerheblichen Strafen des Steuerpflichtigen führen. III. Auswirkungen auf die Praxis Künftig werden alle Steuerpflichtige mit Grundvermögen regelmäßig prüfen müssen, ob und wenn ja in welchem Umfang, sich Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse seit dem letzten Feststellungszeitpunkt ergeben haben. Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt vor, wenn sich diese auf die Höhe des Grundsteuerwerts, die Vermögensart oder die Grundstücksart auswirken oder es zu einer erstmaligen Feststellung kommt. Sollten dergleichen Änderungen zu konstatieren sein, sind die vorstehend skizzierten Erklärungs- und Anzeigepflichten zu beachten. Steuerpflichtige mit großen Grundvermögen ist daher zu einer Implementierung eines eigenen Prüfungspunktes für Zwecke der Überwachung etwaiger grundsteuerlicher Erklärungs- oder Anzeigepflichten im Tax-Compliance-Management-System zu raten. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.
von Dr. Tobias von Cölln und Mario Krämer 22 Jan., 2024
I. Auf einen Blick Für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ist neben der entgeltlichen Tatbestandvoraussetzung aus § 21 Abs. 2 EStG insbesondere auch die nachhaltige Absicht über die Erzielung von Einkünften zu beachten. Für vermieteten aufwendig gestaltete oder ausgestattete Wohnungen sowie Wohnung mit mehr als 250m² Wohnfläche ist eine ortsübliche Marktmiete schwer zu ermitteln. Für die Vermietung derartiger oder auch Einfamilienhäuser an nahestehende Personen ist demnach häufig der Tatbestand der Liebhaberei erfüllt und eine Anrechnung der Werbungskosten bzw. Verluste für die übrige Ermittlung der Einkünfte entfällt. Mit dem Urteil vom 20. Juni 2023 – IX R 17/21 hat der BFH damit gegen eventuelle Steuerersparnisse durch die Vermietung von Luxusimmobilien entschieden. II. Im Detail a. Urteilssachverhalt In dem vorgenannten Urteil wurden insgesamt drei Einfamilienhäuser durch die Kläger unbefristet an ihre (volljährigen) Kinder vermietet. Die Einfamilienhäuser wurden in den Jahren 2003, 2007 und 2008 gekauft und vollständig fremdfinanziert. Die erworbenen Einfamilienhäuser weisen dabei Wohnflächen von 322m², 290m² und 331m² auf. Anpassungen der Fremdfinanzierungszinssätze erfolgten in den Jahren 2017 und 2019. Durch die Vermietung entstanden den Steuerpflichtigen jährliche Verluste zwischen 172.000 € und 216.000 €. Diese Verluste verrechneten die Kläger mit ihren übrigen Einkünften wodurch sich eine erhebliche Einkommensteuerersparnis ergab. Für die streitgegenständlichen Veranlagungszeiträume 2011 bis 2013 wurden die durch die Kläger geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zunächst durch das Finanzamt erklärungsgemäß veranlagt. Durch eine spätere Außenprüfung wurde die steuerliche Anerkennung allerdings versagt. Ein Einspruch gegen die Entscheidung blieb ebenso wie die Klage beim Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg erfolglos. b. Urteilsbegründung Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im vorliegenden Urteil die Revision gegen die erstinstanzliche Entscheidung des FG Baden-Württemberg (Urteil vom 22. Januar 2021 – 5 K 1938/19) als begründet zugelassen und in den zwei Leitsätzen wie folgt entschieden: Bei der Vermietung eines Objekts mit einer Wohnfläche von mehr als 250 m² besteht eine Ausnahme von der typisierten Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit, die Anlass zu deren Überprüfung mittels einer Totalüberschussprognose gibt. An den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur typisierten Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit und den diesbezüglichen Ausnahmen, insbesondere bei der Vermietung eines Objekts mit mehr als 250 m² Wohnfläche, hält der Senat auch nach der Einfügung von § 21 Abs. 2 S. 2 EStG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 fest. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG werden erzielt, wenn Grundstücke, Gebäude oder Gebäudeteile gegen Entgelt zur Nutzung überlassen werden und die Absicht besteht über die Nutzungsdauer einen Überschuss zu erzielen (vgl. z.B. BFH vom 17.04.2018 - IX R 9/17, BStBl. II 2019, 219). Dabei ist nach § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige bei einer dauerhaften Vermietungstätigkeit beabsichtigt, einen nachhaltigen Einnahmenüberschuss zu erzielen, selbst wenn über einen längeren Zeitraum lediglich Werbungskostenüberschüsse vorliegen (vgl. z.B. BFH vom 06.10.2004 – IX R 30/03, BStBl. II 2005, 386). Dies bezieht sich insbesondere auf vermietete Wohnungen. Für die Ermittlung des Gebrauchswertes einer Wohnung wird grundsätzlich die ortsübliche Marktmiete herangezogen. Für den Fall einer aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Wohnung ist es häufig schwierig eine vergleichbare ortsübliche Marktmiete heranzuziehen. In diesen Fällen kann häufig nicht von einer nachhaltigen Einkünfteerzielungsabsicht ausgegangen werden (vgl. z.B. BFH vom 06.10.2004 – IX R 30/03, BStBl. II 2005, 386). Gemäß der früheren Rechtsprechung des BFH, kann eine aufwendig gestaltete oder ausgestattete Wohnung angenommen werden, wenn die Wohnfläche über 250m² liegt (vgl. z.B. BFH vom 09.09.1997– IX R 52-94, BStBl. II 1997, 818). Darüber hinaus können parkähnliche Gartenanlagen, ein Schwimmbad, Fitnessstudio oder eine Sauna ebenfalls bereits zu einer aufwendig ausgestatteten Wohnung führen, auch wenn die Wohnfläche unter 250m² ist (vgl. z.B. BFH vom 09.09.1997– IX R 52-94, BStBl. II 1997, 818). Die Rechtfertigung in Bezug auf eine flächenmäßige Abgrenzung beruht in der Regel auf einem fehlenden Mietspiegel für Wohnung in dieser Größe. Demnach kann eine ortsübliche Marktmiete nicht aussagekräftig ermittelt werden. Gleichwohl steht es dem Steuerpflichtigen offen die Einkünfteerzielungsabsicht nachzuweisen. An den Regelungen aus dem eingeführten § 21 Abs. 2 S. 2 EStG durch das StVereinfG 2011 zum 01.01.2012 hält der BFH grundsätzlich fest. Damit werden Wohnungen als entgeltlich vermietet angesehen, wenn die Miete bei einem dauerhaften Mietverhältnis mindestens 66 % der ortsüblichen Marktmiete entspricht. Dennoch grenzt der BFH hier ab und sieht die Einkünfteerzielungsabsicht als gesondert zu prüfende Tatbestandsvoraussetzung an. Für die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht sind demnach bei der Totalüberschussprognose die tatsächlichen Umstände maßgeblich und nicht etwaige fiktive Umstände wie Mieterhöhungen oder Zinssenkungen. Insbesondere wird von einem 30-jährigen Prognosezeitraum ausgegangen. III. Auswirkungen auf die Praxis Durch das Urteil bestätigt der BFH seine bisherige Rechtsprechung, wonach bei der Vermietung von aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Objekten (z.B. besonderer Ausstattungsmerkmale oder eine Größe von mehr als 250 qm Wohnfläche) nicht automatisch von einer steuerbaren Tätigkeit auszugehen ist. Steuerpflichtige mit solchen müssen nachweisen, dass die Vermietung mit der Absicht erfolgt, einen finanziellen Überschuss zu erzielen. Können Steuerpflichtige diesen Nachweis nicht führen, weil sie über einen längeren Zeitraum Verluste erwirtschaften, handelt es sich bei der Vermietungstätigkeit um eine steuerlich nicht beachtliche sogenannte Liebhaberei. Im Fall einer Liebhaberei sind die aus dieser Tätigkeit stammende Verluste nicht mit anderen positiven Einkünften verrechenbar. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.
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