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Aktuelle Entwicklungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung (Stand: 10/2022)

Christoph Diener • Okt. 06, 2022

Aktuelle Entwicklungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung



I. Auf einen Blick
 
Die EU plant zum Geschäftsjahr 2024 eine sowohl qualitative als auch quantitative Veränderung der 2017 eingeführten nichtfinanziellen Erklärung. Als Nachhaltigkeitsbericht soll diese pflichtgemäß in den Lagebericht und durch EU-Standards verbessert und vergleichbarer werden. Zudem sollen statt bestimmter kapitalmarktorientierter Unternehmen alle großen Kapitalgesellschaften (> 20 Mio EUR Bilanzsumme, > 40 Mio EUR Nettoumsatzerlöse, > 250 Mitarbeiter) diesbezüglich verpflichtet werden. 

Das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) erwartet für Deutschland eine Verdreißigfachung der betroffenen Unternehmen von derzeit von ca. 500 auf ca. 15.000 Unternehmen. 

Wir empfehlen, dass sich betroffene Unternehmen bereits jetzt mit den Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung auseinandersetzen und bereits ganz konkret mit der Einrichtung entsprechender Abbildungssysteme für die Unternehmenssteuerung – etwa für die Verbrauchsmessung, die CO2-Belastung von Produkten usw. beginnen. 

II. Im Detail

1. Grundlegendes 

Grundsätzlich gilt, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Ergänzung zur Abbildung der wirtschaftlichen Verhältnisse in der Rechnungslegung die Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten auf die Ökologie (Umwelt), auf die sozialen Belange und die Unternehmensführung darstellen soll. 
Dabei soll die Nachhaltigkeitsberichterstattung insbesondere folgendes erreichen: 
  • Verknüpfung der Ökonomie mit den Bereichen Ökologie und Soziales 
  • Steigerung der Arbeitgeberattraktivität durch Betonung der Dimension Soziales und Ökologie
  • Wettbewerbsvorteile durch den Nachweis der Reduzierung von Treibhausgasemissionen
  • Reputationsgewinn und verstärkte Transparenz 
  • Steigerung der Attraktivität für Kapitalgeber 
2. Bisherige Handhabung 

Der aktuell vorliegende Status Quo der Nachhaltigkeitsberichterstattung ergibt sich aus den § 289c Abs. 1 bis 4 HGB. Darin wird geregelt, dass kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter:innen sowie Genossenschaften, große Kreditinstitute, Finanzdienstleister und Versicherungsunternehmen eine Darstellung und Beschreibung des Geschäftsmodells sowie die Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten auf Umweltbelange, soziale Belange, Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Bekämpfung von Korruption und Bestechung im Lagebericht innerhalb einer sogenannten nicht finanziellen Erklärung im Lagebericht vornehmen müssen.
Die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung beinhaltet die inhaltliche Prüfung hinsichtlich Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der nicht finanziellen Berichterstattung und erfolgt grundsätzlich durch den Aufsichtsrat. Der Jahresabschlussprüfer hat zu prüfen, ob die nicht finanzielle Erklärung im Lagebericht enthalten ist oder der Lagebericht einen Hinweis unter Angabe der Internetseite auf eine Veröffentlichung eines gesonderten nicht finanziellen Berichtes enthält.

3. Aktuelle Änderungen durch die EU

Das Europäische Parlament und der Rat der EU haben sich im Juni 2022 geeinigt: Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sind Nachhaltigkeits- und Finanzberichterstattung künftig weitgehend gleichgestellt. 
Künftig sind Tausende Unternehmen in Deutschland dazu verpflichtet, einen tiefen Einblick in die ökologischen und sozialen Folgen ihres Handelns zu geben. 
Die CSRD betrifft alle großen Unternehmen und Konzerne, unabhängig von ihrer Kapitalmarktorientierung, die im Regelfall an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen 2 der 3 folgenden Kriterien erfüllen: 
  • 20 Mio EUR Bilanzsumme, 
  • ein Netto Umsatzerlös von mehr als 40 Mio EUR
  • und mehr als 250 Mitarbeiter:innen beschäftigen.
Kleine und Mittelgroße Unternehmen fallen unter die Richtlinie sofern sie kapitalmarktorientiert sind. 
Für den Erstanwendungszeitpunkt gilt eine gestaffelte Dreiteilung: So gilt die Richtlinie ab der Berichtsperiode 2024 für Unternehmen, die bereits heute zur nicht finanziellen Berichterstattung nach der aktuellen Regelung des HGB verpflichtet sind. 
Ab der Berichtsperiode 2025 müssen große Unternehmen und Konzerne, die bislang nicht nach den aktuellen Regelungen des HGB verpflichtet sind, die neue Richtlinie anwenden. 

Kapitalmarktorientierte kleine und Mittelgroße Unternehmen haben noch Zeit bis zur Berichtsperiode 2026.
 
Daneben ist von der CSRD noch eine weitere Unternehmensgruppe betroffen: Unternehmen außerhalb der EU, sofern sie Umsatz von mehr als 150 Mio EUR in der EU erzielen und mindestens ein großes Tochterunternehmen oder eine Niederlassung in der EU haben. Diese Gruppe ist ab der Berichtsperiode 2028 zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet. 


4. Was ändert sich im Detail?

Die EU fordert mit der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von den Unternehmen sehr differenzierte Informationen und genau definierte Kennzahlen. Die Inhalte und die Einheitlichkeit bei den Berichtsinhalten soll durch europäische Standards erzielt werden, welche die Vorgaben der CSRD konkretisieren. 
Unternehmen sollen im Lagebericht die Informationen ergänzen, die notwendig sind, um die Auswirkung des Unternehmens auf Nachhaltigkeitsbelange und die Beeinflussung der Unternehmensentwicklung durch Nachhaltigkeitsbelange zu verstehen. Diese Informationen sollen eindeutig Identifizierbar sein und einen eigenen Abschnitt im Lagebericht darstellen. 

Nach dem Vorschlag der EU Kommission sollen die Nachhaltigkeitsberichte insbesondere folgende Informationen beinhalten (Art. 19a Abs. 2 CSRD-Vorschlag):
(a) eine kurze Beschreibung des Geschäftsmodells und der Strategie des Unternehmens, einschließlich:
  • die Widerstandsfähigkeit des Geschäftsmodells und der Strategie des Unternehmens zum Umgang mit den Risiken im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsangelegenheiten;
  • die Chancen für das Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeits- Angelegenheiten;
  • die Pläne des Unternehmens, um sicherzustellen, dass Geschäftsmodell und Strategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft vereinbar sind und mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C gem. dem Pariser Klimaschutzabkommen im Einklang sind;
  • wie das Geschäftsmodell und die Strategie des Unternehmens den Interessen der Stakeholder des Unternehmens Rechnung tragen und wie die Auswirkungen von dem Unternehmen in Nachhaltigkeitsfragen sind;
  • wie die Strategie des Unternehmens umgesetzt wurde in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte;
(b) eine Beschreibung der Ziele in Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen sowie Ergebnisse bei der Verwirklichung dieser Ziele;

(c) eine Beschreibung der Rolle der Verwaltung, des Managements und der Aufsichtsgremien in Nachhaltigkeitsfragen;

(d) eine Beschreibung der Politik des Unternehmens in Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen;

(e) eine Beschreibung von:
  • der Due-Diligence-Prozess, der in Bezug auf Nachhaltigkeit wichtig ist;
  • die wichtigsten tatsächlichen oder potenziellen negativen Auswirkungen im Zusammenhang mit die Wertschöpfungskette des Unternehmens, einschließlich seiner eigenen Tätigkeiten, seiner Produkte und Dienstleistungen, seine Geschäftsbeziehungen und seine Lieferkette;
  • alle ergriffenen Maßnahmen und das Ergebnis solcher Maßnahmen, die um zu verhindern, tatsächliche oder potenzielle nachteilige Auswirkungen abschwächen oder beseitigen;
(f) eine Beschreibung der Hauptrisiken für das Unternehmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsangelegenheiten, einschließlich der Hauptabhängigkeiten des Unternehmens von solchen Angelegenheiten und wie das Unternehmen diese Risiken handhabt;

(g) Indikatoren (Kennzahlen), die für die in den Buchstaben a bis f genannten Offenlegungen relevant sind.

Des Weiteren sieht die Entwurfsfassung der CSRD vor, dass die Unternehmen ihre qualitativen und quantitativen Informationen mit einem stärkeren Zukunftsbezug versehen sollen, wobei die Aussagen auch deutlicher getrennt werden sollen auf einen kurz-, mittel- und langfristigen Zeithorizont.

5. Wer prüft die Einhaltung?

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung unterliegt künftig einer externen inhaltlichen Prüfpflicht. Bereits im ersten Berichtsjahr ist eine externe Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts obligatorisch – zunächst mit begrenzter Prüfungssicherheit. Diese darf durch den Abschlussprüfer erfolgen oder durch einen anderen Sachverständigen. Parallel werden Standards zur Prüfung mit hinreichender Sicherheit erarbeitet. Spätestens im Jahr 2028 wird dann beurteilt, ob und zu welchem Zeitpunkt eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit umsetzbar ist. 

III. Wie sollen Unternehmen, die der CSRD unterliegen, sich jetzt verhalten?

Es empfiehlt sich, bereits jetzt sich mit den Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung auseinanderzusetzen und ganz konkret mit der Einrichtung entsprechender Abbildungssysteme für die Unternehmenssteuerung – etwa für die Verbrauchsmessung, die CO2-Belastung von Produkten usw. zu beginnen. Dabei können klassische Abbildungssysteme als Vorlage dienen, wie beispielsweise die Systematik der Kosten- und Leistungsrechnung für die Zuordnung von während der Produktion entstandenem CO2 auf die einzelnen Produkte. 



Für Rückfragen und weitere Informationen zu diesem Thema stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.






Christoph Diener, Wirtschaftsprüfer

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von Dr. Tobias von Cölln 22 Apr., 2024
I. Einleitung In Fällen, in denen die Bedingungen für die erbschafts- und schenkungssteuerliche 100%-ige Optionsverschonung für begünstigtes (Betriebs-)Vermögen gemäß § 13a Abs. 10 ErbStG nicht erfüllt sind, ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) eine Rückkehr zur Regelverschonung von 85 % nach Abgabe der Optionsverschonungserklärung nicht mehr zulässig (BFH Urteil vom 26. Juli 2022 II R 25/20, BStBl. II 2024, 21). Darüber hinaus hat der BFH in demselben Urteil entschieden, dass mehrere wirtschaftliche Einheiten auch bei gleichzeitiger Schenkung hinsichtlich der Verschonungsregeln der §§ 13a, 13b ErbStG einzeln zu würdigen sind. Da der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt das „alte“ Erbschaftsteuerrecht betraf, werden nun die Urteilsgrundsätze durch die Finanzverwaltung, mit gleichlautenden Ländererlassen vom 22. Dezember 2023 (BStBl. I 2024, 69), auch auf die aktuelle Rechtslage angewendet. II. Wichtigste Punkte der gleichlautenden Ländererlasse vom 22. Dezember 2023 In den gleichlautenden Ländererlassen (GLE) vom 22. Dezember 2023 (BStBl I 2024, 69) regelt die Finanzverwaltung nun insbesondere Folgendes: Wurde die Erklärung zur optionalen Vollverschonung (100%-ige Begünstigung) für eine wirtschaftliche Einheit abgegeben, die die Anforderungen an die Optionsverschonung jedoch nicht erfüllt, kann für diese wirtschaftliche Einheit auch nicht die Regelverschonung (85%-ige Begünstigung) gewährt werden (vgl. Rz. 2). Die Verwaltungsvermögensquote ist in Bezug auf jede wirtschaftliche Einheit und damit jeweils einzelfallabhängig zu ermitteln (Rz. 3). Der Erwerber kann bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft den Antrag auf Optionsverschonung bei einem Erwerb von mehreren wirtschaftlichen Einheiten für jede wirtschaftliche Einheit separat stellen. Bei dem Erwerb mehrerer wirtschaftlicher Einheiten ist daher eine Kombination von Regel- und Optionsverschonung möglich (vgl. Rz. 5 bis 7). Die Berechnung des gleitenden Abzugsbetrages (max. EUR 150.000,--) gem. § 13a Abs. 2 ErbStG ist hingegen beim Erwerb mehrerer selbstständiger wirtschaftlicher Einheiten des begünstigen Vermögens ausgehend von der Summe des insgesamt verbleibenden Vermögens vorzunehmen (vgl. Rz. 14). Dagegen kann das Abschmelzungsmodell des § 13c Abs. 1 ErbStG sowie die Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG bei dem Erwerb mehrerer wirtschaftlicher Einheiten nur einheitlich für den gesamten Erwerb beantragt werden (vgl. Rz. 16). Zudem ist die Einhaltung der Mindestlohnsumme während der Lohnsummenfrist (§ 13a Abs. 3 ErbStG), anders als bisher, für jede wirtschaftliche Einheit separat zu prüfen (vgl. Rz. 28 u. 29). Auch die Behaltensregelungen (fünf bzw. sieben Jahre) des § 13a Abs. 6 ErbStG sind auf Ebene jeder wirtschaftlichen Einheit einzeln zu prüfen und führen demnach auch nur bei dieser möglicherweise zu einer Nachversteuerung (vgl. Rz. 30 f. u. 34). III. Vertrauensschutzregelungen (Stichtag 25. Januar 2024) Nach der bisherigen Verwaltungsauffassung konnte ein Antrag auf Optionsverschonung für alle wirtschaftlichen Einheiten eines Erwerbs nur einheitlich gestellt werden. Nach dem BFH-Urteil vom 26. Juli 2022 (II R 25/20, BStBl. II 2024) sowie damit einhergehend der GLE vom 22. Dezember 2023 ist nun eine Antragstellung für jede wirtschaftliche Einheit gesondert möglich. Wurden in der Vergangenheit die Voraussetzungen der Optionsverschonung für alle wirtschaftlichen Einheiten nicht erfüllt, und ging damit der einheitliche Antrag auf Optionsverschonung ins Leere, wurde bislang seitens der Finanzverwaltung dennoch die Regelverschonung gewährt. Dies galt auch, wenn der Erwerb nur aus einer wirtschaftlichen Einheit bestand und die Optionsverschonung beantragt wurde. Da nun nach misslungener Antragstellung auf Optionsverschonung ein Rückfall in die Regelverschonung nicht mehr in Betracht kommt, gilt die Altregelung dennoch aus Vertrauensschutzgründen fort, wenn der Antrag auf Optionsverschonung vor dem 25. Januar 2024 gestellt wurde. In diesen Fällen würde auch bei Nichterfüllung der Voraussetzungen für die Optionsverschonung die Regelverschonung gewährt werden. Bei der Lohnsummenprüfung findet die Prüfung nunmehr für jede wirtschaftliche Einheit getrennt statt und eine Verrechnung zwischen den wirtschaftlichen Einheiten ist nicht mehr möglich. Aus Vertrauensschutzgründen wird jedoch bei einer Steuerentstehung vor dem 25. Januar 2024 wie bisher (gemeinsame Prüfung) verfahren. Gleichwohl kann der Steuerpflichtige sich dennoch antragsgebunden auf die Neuregelung berufen, sollte diese für ihn günstiger sein (vgl. Rz. 37). IV. Auswirkungen auf die Praxis Steuerpflichtige, die für eine oder mehrere wirtschaftliche Einheiten den Optionsantrag vor dem 25. Januar 2024 gestellt haben, können sich auch bei Nichterfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen noch nachträglich auf Anwendung der Regelverschonung berufen, soweit diese einschlägig wäre (Vertrauensschutzregelung). Dagegen ist bei Übertragungen nach dem 24. Januar 2024 der Antrag auf Optionsverschonung stets einzelfallabhängig kritisch zu prüfen. Dem steuerlichen Berater ist anzuraten, einen Antrag auf Optionsverschonung erst dann zu stellen, wenn die kritische Verwaltungsvermögensquote von 20% nicht überschritten wird. Die Antragstellung ist bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft möglich und kann auch beschränkt auf einzelne wirtschaftliche Einheiten erfolgen. Dies gilt nur dann nicht, wenn bereits zuvor ein einheitlicher Antrag auf Optionsverschonung für alle wirtschaftlichen Einheiten gestellt wurde (vgl. Rz. 38). Wurde ein Optionsantrag jedoch gestellt, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, sollten die entsprechenden Bescheide dennoch unter Verweis auf das Revisionsverfahren II R 19/23 beim BFH offengehalten werden. Dieser muss sich mit der Frage beschäftigen, ob im Fall einer durch den Steuerpflichtigen beantragten Optionsverschonung (100 % ige Steuerbefreiung) ein sogenannter "Rückfall" auf die Regelverschonung (85 % ige Befreiung) möglich ist, wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellt, dass die Voraussetzungen der Optionsverschonung letztlich nicht erfüllt werden können. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.
von Beatrice Lückert 15 Apr., 2024
Am 22. März 2024 hat der Bundesrat dem Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses zum Wachstumschancengesetz zugestimmt. Im Wachstumschancengesetz wurde auch die Ausgestaltung der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a Abs. 2 EStG neu gefasst. I. Bisherige Regelung Ziel des § 34a EStG ist es, die Besteuerung von Mitunternehmerschaften Kapitalgesellschaften gleichzustellen und die Reinvestition von Gewinnen in das Unternehmen zu fördern. Die nicht entnommenen Gewinne können auf Antrag mit einem Thesaurierungssteuersatz von 28,25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) begünstigt besteuert werden (§ 34a Abs. 1 Satz 1 EStG). Der § 34a Abs. 2 EStG regelt die Berechnung des nicht entnommenen Gewinns als den nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG ermittelten Gewinn (steuerbilanzieller Gewinn) vermindert um den positiven Saldo der Entnahmen und Einlagen des Wirtschaftsjahres. Antragsberechtigt sind Steuerpflichtige deren Anteil am ermittelten Gewinn mehr als 10 % beträgt oder EUR 10.000,00 übersteigt. Werden die begünstigten Gewinne in den Folgejahren entnommen, führt dies gemäß § 34a Abs. 4 EStG zu einer Nachversteuerung in Höhe von 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer). Die Nachversteuerung tritt gemäß § 34a Abs. 4 und Abs. 6 EStG in folgenden Fällen ein: Überentnahmen (d. h. der Saldo aus dem nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG ermittelten Gewinn vermindert um die Entnahmen und erhöht um die Einlagen des Wirtschaftsjahres ist negativ); Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe (§§ 14, 16 Abs. 1 und 3 sowie 18 Abs. 3 EStG); Einbringung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft; Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft; Unentgeltliche Übertragung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 EStG auf eine Körperschaft gem. § 1 Abs. 1 KStG; Unentgeltliche Übertragung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils auf eine Mitunternehmerschaft, soweit dort Körperschaften gemäß § 1 Abs. 1 KStG beteiligt sind; Gewinnermittlung erfolgt nicht mehr gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG; Antrag des Steuerpflichtigen. II. Bisherige Regelung in der Praxis In der Praxis fand die Regelung bisher wenig Zuspruch. Dies hat mehrere Ursachen: Der steuerbilanzielle Gewinn ist maßgeblich, so dass die zu versteuernden Einkünfte in der Regel höher sind als der begünstigungsfähige Gewinn, da z. B. nicht abziehbare Betriebsausgaben wie die Gewerbesteuer nicht begünstigungsfähig sind, weil diese außerbilanziell wieder hinzuzurechnen sind. D. h. für die Begünstigung blieben alle außerbilanziellen Korrekturen außer Ansatz. Werden die Einkommensteuervorauszahlungen aus dem Unternehmensvermögen bezahlt bzw. erhalten die Gesellschafter Vorabausschüttungen um die Einkommensteuervorauszahlungen zu leisten, liegen Entnahmen vor, die ebenfalls den begünstigungsfähigen Gewinn reduzieren. Bei Anwendung des Spitzensteuersatzes liegt die Steuerbelastung auf die begünstigten Gewinne bei rund 35 % und damit um rund 5 % höher als bei Kapitalgesellschaften. Die Gesamtsteuerbelastung unter Berücksichtigung der Nachversteuerung ist bei Anwendung des Spitzensteuersatzes um 0,5 % schlechter als bei einer voll umfänglichen Besteuerung zum tariflichen Steuersatz. Der Nachteil wird umso größer, je niedriger der Steuersatz der steuerpflichtigen Person ist, denn die Steuersätze im Rahmen der Thesaurierungsbesteuerung sind nicht progressiv ausgestaltet. Die Überentnahmen sind jährlich zu ermitteln. D. h. sind im aktuellen Jahr Übernahmen erfolgt, sind diese der Nachversteuerung zu unterwerfen. Erst dann können in der Vergangenheit nichtbegünstigte thesaurierte Gewinne ohne Nachversteuerung entnommen werden. Unterentnahmen in den Vorjahren werden bei Überentnahmen in den Folgejahren nicht verrechnet. Bei Teilübertragungen, sowohl unentgeltlich oder nach § 24 UmwStG, kommt es bisher nicht zur anteiligen Nachversteuerung oder zum anteiligen Übergang von nachversteuerungspflichtigen Beträgen. Ein Übergang der nachversteuerungspflichtigen Beträge erfolgt nur, wenn ein gesamter Betrieb oder Mitunternehmeranteil unentgeltlich übertragen wird. Somit können Gestaltungen mit nur anteiligen Übertragungen genutzt werden, um die Nachversteuerung hinauszögern. (bisher ein Pluspunkt) Gemäß § 37 Abs. 3 Satz 5 EStG können die Begünstigungen des § 34a EStG nicht bei der Berechnung der Einkommensteuervorauszahlungen berücksichtigt werden. Dies führt bis zur Veranlagung der Einkommensteuer zu einem Liquiditätsnachteil. III. Änderungen durch das Wachstumschancengesetz Die Änderungen des Regierungsentwurfs vom 30. August 2023 wurden wie folgt übernommen: Der begünstigungsfähige Gewinn (bisher der Steuerbilanzgewinn) wird um die Gewerbesteuer erhöht. Weitere nicht abziehbare Betriebsausgaben werden dagegen weiterhin nicht berücksichtigt. Entnahmen für die Zahlung der persönlichen Einkommensteuer, die gem. § 34a Abs. 1 EStG entstehen, bleiben bei der Ermittlung der Entnahmen außer Ansatz (§ 34a Abs. 12 Satz 2 EStG-E). Entnahmen gelten vorrangig bis zur Höhe der Einkommensteuer im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG-E und des darauf entfallenden Solidaritätszuschlages als zur Zahlung dieser Beträge verwendet. Der Katalog der Nachversteuerungstatbestände wird erweitert: • Entgeltliche Aufnahme eines Mitunternehmers in ein bestehendes Einzelunternehmen; • Veräußerung eines Teils eines Mitunternehmeranteils; • Einbringung eines Teilbetriebs oder eines Teils eines Mitunternehmeranteils; • Unentgeltliche Übertragung eines Teilbetriebs oder Teils eines Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 EStG auf eine Körperschaft gem. § 1 Abs. 1 KStG; • Unentgeltliche Übertragung eines Teilbetriebs oder Teils eines Mitunternehmeranteils auf eine Mitunternehmerschaft, soweit dort Körperschaften des § 1 Abs. 1 KStG beteiligt sind; • Unentgeltliche Aufnahme eines Mitunternehmers in ein bestehendes Einzelunternehmen, wenn die Übertragung auf eine Körperschaft des § 1 Abs. 1 KStG erfolgt. Damit führen auch anteilige Übertragungen/Veräußerungen zu einer anteiligen Nachversteuerung. Basis für die quotale Nachversteuerung ist der Anteil des übertragenen Betriebsvermögens an dem Betriebsvermögen des Rechtsvorgängers vor der Übertragung. Bei Einzelunternehmen ist das Betriebsvermögen das Eigenkapital, bei Mitunternehmerschaften das anteilige Gesamthandskapital, das Kapital der Sonder- und Ergänzungsbilanzen. Ziel dieser Regelung ist die Verhinderung von Gestaltungsmöglichkeiten, bei denen Betriebsvermögen bis auf einen Zwergenanteil übertragen wird und dies bisher keinen Nachversteuerungstatbestand ausgelöst hat. Bei Teilübertragungen wie: • unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils auf eine natürliche Person, • unentgeltlichen Aufnahme einer natürlichen Person in ein bestehendes Einzelunternehmen und • Einbringung eines Teils eines Mitunternehmeranteils zu Buchwerten nach § 24 UmwStG erfolgt künftig eine anteilige Übertragung der nachversteuerungspflichtigen Beträge auf den Rechtsnachfolger, der diese fortzuführen hat. Auch hier ist maßgeblich für die quotale Nachversteuerung der Anteil des übertragenen Betriebsvermögens an dem Betriebsvermögen des Rechtsvorgängers vor der Übertragung. Der Antrag auf Thesaurierungsbegünstigung kann bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheides gestellt werden. Dies kann bisher dazu führen, dass bei sehr später Antragsstellung (z. B. im Rahmen einer Betriebsprüfung) ein hohes Guthaben an Erstattungszinsen entsteht. Der neue § 34a Abs. 1 Satz 3 EStG-E regelt nun, dass die nachträgliche Antragsstellung als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 AO eingestuft wird. Somit beginnt der Zinslauf erst 15 Monate nach Ablauf des Jahres der Antragsstellung. Die Änderungen werden erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2024 Anwendung finden. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.
von Beatrice Lückert 10 Apr., 2024
Am 22. März 2024 hat der Bundesrat dem Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses zum Wachstumschancengesetz zugestimmt. Im Wachstumschancengesetz sind unter anderem diverse Änderungen für Abschreibungen enthalten. Nachfolgend geben wir einen kurzen Überblick über die Änderungen im Bereich der Abschreibungen. I. Degressive Abschreibung bei beweglichen Wirtschaftsgütern Für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens konnte gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 EStG für die Jahre 2020 bis 2022 „vorübergehend“ die degressive Abschreibung als konjunkturstützende Maßnahme in Anspruch genommen werden. Nunmehr wird es erneut vorübergehend ermöglicht für bewegliche Wirtschaftsgüter, die nach dem 31. März 2024 (geplant war: 30.September 2023) und vor dem 1. Januar 2025 angeschafft oder hergestellt worden sind, die degressive Abschreibung abermals einzuführen. Der dabei anzuwendende Prozentsatz darf höchstens das Zweifache des bei der linearen Abschreibung in Betracht kommenden Prozentsatzes betragen und 20 % nicht übersteigen (geplant war: 2,5-fache und 25%). Sinnvoll ist die Anwendung für bewegliche Wirtschaftsgüter deren Nutzungsdauer mehr als fünf Jahre beträgt. Die degressive Abschreibung führt zu Beginn des Abschreibungszeitraums zu einer höheren Abschreibung und am Ende zu einer niedrigeren Abschreibung. Letztlich führt die zeitliche Verschiebung nur zu einem reinen Zinseffekt. Zu beachten ist hierbei, dass es im Fall der Bilanzierung insoweit zum Auseinanderfallen zwischen Handels- und Steuerbilanzansatz kommen kann, wodurch mitunter latente Steuern zu berechnen und im Jahresabschluss auszuweisen sind. II. Degressive Abschreibung bei Wohngebäuden Aufgrund des Wohnraummangels in Ballungsgebieten sowie anhaltender wirtschaftlicher Belastungen durch hohe Baukosten (Anstieg der Rohstoffpreise, erhöhte Finanzierungskosten) wird befristet, zur Förderung des Wohnungsbaus und zur Unterstützung der Bauwirtschaft, die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer geometrisch-degressiven Abschreibung für Gebäude mit fallenden Jahresbeträgen eingeführt. Der neue § 7 Abs. 5a EStG hat folgende Voraussetzungen : Die geometrisch-degressive Abschreibung gilt ausschließlich für neue Gebäude, die Wohnzwecken dienen und die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes belegen sind. Der Baubeginn des Wohngebäudes muss zwischen dem 1. Oktober 2023 und dem 30. September 2029 liegen. Maßgebend ist hier die Baubeginnsanzeige. Eine Baubeginnsanzeige ist eine formelle Mitteilung, die von einer Baufirma oder einem Bauherren an die zuständige Bauaufsichtsbehörde gesendet wird, um den Beginn eines Bauprojekts anzuzeigen. Die Baubeginnsanzeige enthält regelmäßig Informationen über das geplante Bauprojekt, den Standort, den Zeitplan und andere relevante Details. Sie ermöglicht den Behörden die Baustelle zu überwachen und sicherzustellen, dass das Projekt den genehmigten Plänen entspricht und alle erforderlichen Standards eingehalten werden. Beim Kauf einer Immobilie muss der Vertrag zwischen dem 1. Oktober 2023 und dem 30. September 2029 rechtswirksam geschlossen werden. Die Immobilie muss bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung erworben werden. D. h. die Fertigstellung des Gebäudes und die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über das Gebäude müssen im gleichen Kalenderjahr erfolgen. Der Steuerpflichtige trägt die Nachweispflicht. Im Erstjahr können fünf Prozent der Investitions-/Anschaffungskosten steuerlich in Abzug gebracht werden. In den darauffolgenden Jahren sind dann jeweils fünf Prozent des Restwertes abzugsfähig. Die Abschreibung hat pro rata temporis (d. h. zeitanteilig) zu erfolgen. Ein Wahlrecht zum Wechsel zur linearen AfA nach § 7 Abs. 4 EStG ist gegeben. Die lineare Absetzung für Abnutzung ist nach dem Wechsel zur Absetzung für Abnutzung nach § 7 Abs. 4 Nr. 2a EStG vom Restwert vorzunehmen. Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzungen sind neben der degressiven Abschreibung nicht zulässig. Soweit Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzungen eintreten, kann zur linearen AfA gewechselt werden. Die Abschreibung stellt sich beispielhaft wie folgt dar: Bei EUR 500.000,00 Investitionskosten (1.2025) sollen im ersten Jahr EUR 25.000,00 (fünf Prozent von EUR 500.000,00), im zweiten Jahr EUR 23.750,00 (EUR 500.000,00 abzüglich der EUR 25.000,00 vom ersten Jahr = EUR 475.000 Restwert davon fünf Prozent). III. Geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) Die in unserem BLOG-Beitrag 14. Februar 2024 dargestellten geplanten Änderungen im Bereich geringwertige Wirtschaftsgüter und Sammelposten wurden ersatzlos gestrichen. IV. Sonderabschreibung § 7g EStG Nach § 7g Abs. 5 EStG können Betriebe, die die Gewinngrenze von EUR 200.000,00 im Jahr vor der Investition nicht überschreiten und das Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im darauf folgenden Wirtschaftsjahr vermieten oder in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs des Steuerpflichtigen ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich nutzen, derzeit bis zu 20 % der Investitionskosten als Sonderabschreibung geltend machen, unabhängig von einer vorherigen Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags. Die Sonderabschreibung kann beliebig auf das Jahr der Anschaffung oder Herstellung und die folgenden vier Jahre verteilt werden, gedeckelt auf insgesamt 20 %. Das Wachstumschancengesetz sieht für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31. Dezember 2023 angeschafft oder hergestellt werden, eine Erhöhung der Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG auf bis zu 40 % (geplant war: 50 %) vor. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.
von Christoff Jorde 27 März, 2024
I. Einleitung Die unentgeltliche Übertragung von Vermögensgegenständen – insbesondere im Familienverbund – will einerseits für die Schenkung im Einzelnen sowie mit Blick auf Folgeschenkungen in der näheren Zukunft geplant sein. Neben der Steuerklasse und dem Freibetrag spielt insbesondere die Bewertung des Schenkungsgegenstandes eine exponierte Rolle. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 26. Juli 2023 unter dem Az. II R 35/21 festgestellt, dass ein gesondert festgestellter Grundbesitzwert Bindungswirkung für alle Schenkungsteuerbescheide entfaltet, bei denen dieser mit in die steuerliche Bemessungsgrundlage einfließt. Das gilt insbesondere auch für die Berücksichtigung eines früheren innerhalb der Zehnjahresfrist. Für den Steuerpflichtigen ergeben sich somit materiell-rechtliche Risiken aus Grundlagenbescheiden, auch wenn die dortigen Wertfeststellungen zunächst zu keiner Schenkungsteuer führen. II. Urteilssachverhalt Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhielt mit Wirkung zum 31. Dezember 2012 von seinem Vater schenkweise einen hälftigen Miteigentumsanteil an mehreren unbebauten Grundstücken (die sog. „Vorerwerbe“). Für Zwecke der Schenkungsteuer wurden mit Feststellungsbescheiden jeweils vom 4. April 2016 die Grundbesitzwerte für alle übertragenen wirtschaftlichen Einheiten festgestellt. Der auf den Kläger entfallende Anteil betrug insgesamt EUR 87.392 und lag somit grundsätzlich unter dem Schenkungsteuerfreibetrag i. H. v. EUR 400.000,-- zwischen Eltern und Kindern. Die erlassenen Feststellungsbescheide wurden nicht beanstandet und somit bestandskräftig. Die dort festgestellten Grundbesitzwerte waren die Besessungsgrundlage für den Schenkungsteuerbescheid vom 25. April 2016. Die Schenkungsteuer wurde mit EUR 0 festgesetzt. Am 20. Juni 2017 erhielt der Kläger von seinem Vater schenkweise EUR 400.000,-- durch einen Forderungsverzicht (steuerlicher Erwerb). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑FA‑) setzte daraufhin mit Bescheid vom 27. September 2018 für den Erwerb Schenkungsteuer in Höhe von EUR 9.603 fest. Dabei berücksichtigte das FA den Vorerwerb (s. o.) mit einem Wert von EUR 87.392 und damit einhergehend die betragsmäßige Überschreitung des schenkungsteuerlichen Freibetrages. Den Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, dass der Grundbesitzwert im Feststellungsbescheid vom 4. April 2016 unzutreffend festgestellt worden sei, der für den Vorerwerb herangezogene Wert im Schenkungsteuerbescheid vom 27. September 2018 danach ebenfalls unrichtig und der Vorerwerb mit dem materiell-rechtlich zutreffenden Wert einzubeziehen sei, wies das FA in der Einspruchsentscheidung vom 28. März 2019 als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage beim Niedersächsischen Finanzgericht (Urteil v. 25. August 2021, 3 K 112/19) hatte keinen Erfolg. III. Entscheidung des BFH Nach Auffassung des BFH ist die Revision unbegründet und war daher zurückzuweisen. Der Schenkungsteuerbescheid vom 27. September 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die mit Bescheiden jeweils vom 4. April 2016 bestandskräftig festgestellten Grundbesitzwerte in Höhe von insgesamt EUR 87.392 wurden zu Recht auch der Schenkungsteuerfestsetzung des Erwerbs zu Grunde gelegt. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden und von der Steuer für den Gesamtbetrag die Steuer abgezogen wird, die für die früheren Erwerbe zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Der Feststellungsbescheid vom 4. April 2016 ist ein Grundlagenbescheid, in welchem ein Grundbesitzwert bestandskräftig festgestellt worden ist. Dieser Grundlagenbescheid hat grundsätzliche Bindungswirkung für sämtliche Folgebescheide. Zu solchen Folgebescheiden zählen auch Schenkungsteuerbescheide. Eine Beschränkung der Bindungswirkung auf bestimmte Erwerbe sieht das Steuergesetz nicht vor. Im Gegenteil liegt es nach Auffassung des BFH in der (rechtlichen) Natur der gesonderten Feststellung, diese bei allen Steuerfestsetzungen zu berücksichtigen, für die sie materiell-rechtlich von Bedeutung ist. Die Bindungswirkung der gesondert festgestellten Werte nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gilt folglich nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO auch für nachfolgende Erbschaftsteuer- oder Schenkungsteuerbescheide , in denen im Rahmen der Zusammenrechnung innerhalb von zehn Jahren nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG der Wert der Vorerwerbe Berücksichtigung findet. Dies gilt unabhängig davon, ob die Wertfeststellung zu einer Steuerfestsetzung geführt hat. Ein Steuerpflichtiger kann sich daher nicht darauf berufen, er habe den Wertfeststellungsbescheid nicht angefochten, weil aufgrund der Freibeträge die Steuerfestsetzung für den Vorerwerb EUR 0 betragen hat. Die BFH-Rechtsprechung zum Ansatz von materiell-rechtlich richtigen Werten für den Vorerwerb im Rahmen der Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG (s. hierzu BFH-Urteile vom 22.08.2018 - II R 51/15, BFHE 262, 448, BStBl II 2020, 662, Rz 26 ff. und vom 22.07.2020 - II R 42/17, Rz 24) steht danach der Pflicht zur Berücksichtigung eines nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BewG i.V.m. § 1 Abs. 2 ErbStG festgestellten Grundbesitzwerts in Bezug auf einen Vorerwerb bei einem späteren Erwerb nicht entgegen, selbst wenn dieser materiell-rechtlich unzutreffend sein sollte. Die Bindungswirkung eines Wertfeststellungsbescheids für einen Vorerwerb im Rahmen der Wertermittlung für den nachfolgenden Erwerb trägt im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG zur Rechtssicherheit bei. Der Steuerpflichtige kann darauf vertrauen, dass ein bestandskräftig festgestellter Wert auch nachfolgenden Erbschaftsteuer- beziehungsweise Schenkungsteuer-bescheiden zu Grunde gelegt wird. Ist der Steuerpflichtige der Auffassung, der festgestellte Wert sei unzutreffend, ist es ihm zumutbar, bereits im Rahmen des Vorerwerbs den Wertfeststellungsbescheid rechtzeitig anzufechten. IV. Auswirkungen auf die Praxis Diese BFH-Rechtsprechung verdeutlicht einmal mehr die Bindungswirkung von Grundlagenbescheiden für Folgebescheide . Die Bindungswirkung gilt auch für steuerartübergreifende Festsetzungen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Grundlagenbescheide dahingehend geprüft werden, dass die korrekten Werte festgesetzt werden. Denn (materiell-rechtliche) Einwände gegen rechtsfehlerhafte, aber zwischenzeitlich in Bestandskraft erwachsende Grundlagenbescheide sind in Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren gegen Folgebescheide nicht mehr möglich. Gerade im Bereich der Planung von Vermögensübertragungen sind gesondert festzustellende Wertfeststellungen einer genauen Prüfung auf deren Richtigkeit zu unterzeihen, weil diese Feststellungen im Rahmen von Folgeschenkungen während des Zehnjahreszeitraums i.S.d. § 14 ErbStG ihre Wirkung nicht verlieren. Für Rückfragen zum Thema „Bindungswirkung von Wertfeststellungsbescheiden“ und deren Wirkung sowie zu dem o.g. Urteil stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508-100 gerne zur Verfügung.
von Dr. Tobias von Cölln 11 März, 2024
I. Einleitung Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 6. März 2024 einen Entwurf für die Anpassung des noch nicht ganz zwei Jahre alten BMF-Schreibens vom 10. Mai 2022 ( dazu unser Blogbeitrag ) vorgelegt. Hintergrund sind mehrere inhaltliche Anpassungen sowie insbesondere die Präzisierung der im ursprünglichen BMF-Schreiben nicht aufgeführten und zunächst nur im Rahmen eines Entwurfschreibens aus Juli 2022 vorgestellten Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten ( dazu unser Blogbeitrag ). Die wichtigsten geplanten Änderungen, welche nun in das neue BMF-Schreiben aufgenommen werden sollen, stellen wir Ihnen nachfolgend dar. II. Im Detail Neben kleineren redaktionellen Anpassungen in bereits bestehenden Randnummern (Rn.) des BMF-Schreibens vom 10. Mai 2022, sind für die Steuerpflichtigen insbesondere die neu unter Punkt „III. Steuererklärungs-, Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten“ aufzunehmenden Rn. 90 bis 111 sowie die unter Punkt „IV. Anwendungsregelungen“ aufzunehmende Rn. 112 zu nennen. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die folgenden Randnummern, welche bereits im Rahmen der Abgabenordnung geregelte allgemeingültige Pflichten für die Steuerpflichtigen auf Krypto-Sachverhalte überträgt: Technische Besonderheiten (Rn. 92): Selbst bei auf der Blockchain dokumentierten Transaktionen bedarf es aufgrund der Pseudonymität einer entsprechenden Mitwirkung durch die Steuerpflichtigen. Auch die bloße Überlassung des öffentlichen Schlüssels durch die Steuerpflichtigen ist nach Verwaltungsauffassung für die ertragsteuerrechtliche Nachweisführung nicht ausreichend. Erhöhte Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten (Rn. 93): Bereits verfahrensrechtlich unterliegen Steuerpflichtige bei Auslandssachverhalten einer erhöhten Mitwirkungspflicht (§ 90 Abs. 2 AO). In der Rn. 93 des vorliegenden Entwurfes soll dies insbesondere auch den regelmäßigen Abruf bestehender Transaktionsübersichten umfassen. Demnach sollen fehlende Aufzeichnungen und Datenverluste (z. B. wegen Insolvenz der Handelsplattform oder aufgrund eines Hacker-Angriffs) zu Lasten der Steuerpflichtigen gehen. In der Praxis dürfte dies viele Steuerpflichtige vor erhebliche Probleme stellen. Bereits lange tätige Investoren und Trader haben mitunter in der Vergangenheit keine Handelsdaten heruntergeladen und sehen sich nun vor dem Problem, dass einige Auslandsbörsen bereits nicht mehr existent sind. Darüber hinaus sind (insb. ältere) von Auslandsbörsen bereit gestellte Datensätze vielfach fehlerbehaftet. Können Steuerpflichtige keine ausreichenden Angaben machen oder keine ausreichende Aufklärung über ihre Angaben geben wird das Finanzamt regelmäßig die Erträge schätzen (§ 162 Abs. 2 AO). Mitwirkungs-, Aufzeichnung- und Aufbewahrungspflichten im Betriebsvermögen (Rn. 97 ff.): Die Entwurfsfassung des BMF-Schreibens stellt zunächst grundlegend klar, dass auch bei Token oder sonstigen Währungen in einem Betriebsvermögen die regulären steuerlichen und außersteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten Anwendung finden sollen (insb. §§ 140, 141 u. 145 ff. AO; §§ 238 ff. HGB). Neben der Einhaltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sind Steuerpflichtige zur Aufbewahrung von Aufzeichnungen und Unterlagen zu Geschäftsvorfällen verpflichtet, die für die Überprüfung dieser Aufzeichnungen von Bedeutung sind. Für den Fall, dass Steuerpflichtige für die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen im Zusammenhang mit virtuellen Währungen und sonstigen Token eine spezielle Software (z. B. Cointracker oder Cryptotax) nutzen, so ist für diese zum einen eine eigene Verfahrensdokumentation zu erstellen ( siehe dazu bereits den Blogbeitrag „Verfahrensdokumentation“ vom 13. Mai 2022 ) sowie zum anderen die Anforderungen an die Unveränderbarkeit der Daten zu beachten. In der Praxis dürfte dies viele Steuerpflichtige vor erhebliche Probleme stellen. Wer zum Beispiel in der Vergangenheit zeitweise gewerbliche Einkünfte (z. B. durch Mining oder aktives Staking) erzielt hat, hat mitunter aber die vorstehenden Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten nicht erfüllt. Auch in diesen Fällen wird das Finanzamt regelmäßig die Erträge schätzen (§ 162 Abs. 2 AO). Aufzeichnungspflichten im Privatvermögen (Rn. 104 ff.): Auch im Privatvermögen können Einnahmen aus virtuellen Währungen oder sonstigen Token zu einer erweiterten Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflicht des Steuerpflichtigen führen. Dies trifft insbesondere alle Steuerpflichtigen, deren Summe der positiven Überschusseinkünfte (dies sind Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung oder sonstigen Einkünften i. S. d. § 22 EStG) mehr als 500.000 Euro im Kalenderjahr betragen (§ 147a AO). Diese haben die Aufzeichnungen und Unterlagen über die den Überschusseinkünften zu Grunde liegenden Einnahmen und Werbungskosten sechs Jahre lang aufzubewahren. Sofern Steuerpflichtige ein Datenverarbeitungssystem oder eine spezielle Software zur Erfüllung der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten benutzen, ist im Rahmen einer Außenprüfung einen Datenzugriff sicherzustellen (Rn. 104). Für die Erfüllung der Aufzeichnungspflichten sollen Steuerreports (Rn. 106), CSV-Daten und Transaktionsübersichten (Rn. 107) sowie auch vom Steuerpflichtigen selbst erstellte Auflistungen und Tabellen (Rn. 108) dienen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang stets, dass für Zwecke einer ausreichenden Plausibilität Angaben zur Bestimmung der angesetzten Kurse und zum genutzten Verbrauchsfolgeverfahren (z. B. FiFo) sowie Ausführungen zu den zugrundeliegenden ertragsteuerrechtlichen Wertungen erforderlich sind. Haben die Steuerpflichtigen individuelle Anpassungen und Korrekturen in den Steuerreports vorgenommen, ist von ihnen darauf hinzuweisen . Insgesamt gilt, dass je komplexer die Transaktionen , desto höher die individuellen Anforderungen an die Dokumentationen (Rn. 109). Auch hier gilt: Können Steuerpflichtige keine ausreichenden Angaben machen oder keine ausreichende Aufklärung über ihre Angaben geben, wird das Finanzamt regelmäßig die Erträge schätzen (§ 162 Abs. 2 AO). III. Auswirkungen auf die Praxis Es bleibt zu konstatieren, dass es sich zunächst um einen Entwurf zu der Anpassung des bereits bestehenden BMF-Schreibens handelt. Verbände und Experten haben noch bis Anfang April Gelegenheit, zu dem Entwurf Stellung zu nehmen. Gleichwohl ist abzusehen, dass die erwartbaren Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten die Steuerpflichtigen in der Praxis regelmäßig – insb. aufgrund der geplanten Anwendbarkeit auf alle noch offenen Fälle – vor gewisse Herausforderungen stellen werden. Es gilt demnach für Steuerpflichtige insbesondere im Zusammenhang mit virtuellen Währungen und sonstigen Token eine fehlerfreie Dokumentation der Einzelsachverhalte sicherzustellen. Die Erfordernisse an die Dokumentationspflicht und die Unveränderbarkeit der Daten, einhergehend mit dem Datenzugriff der Finanzverwaltung ist sicherzustellen. Den Finanzämtern steht es stets offen Nachweise zu fordern. Können diese nicht erbracht werden, darf das Finanzamt schätzen. Insbesondere Steuerpflichtigen, die bereits eine Steuererklärung abgegeben haben, aber die Einnahmen aus virtuellen Währungen und sonstigen Token nicht oder nicht vollständig angegeben haben, ist umgehend zu einer persönlichen Beratung im Zusammenhang mit der Möglichkeit einer Nacherklärung oder einer strafbefreienden Selbstanzeige zu raten. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.
von Dr. Tobias von Cölln und Lara-Sofie Bernert 04 März, 2024
Die steuerlichen Konsequenzen von als „Influencern“ tätigen Personen sind stets einzelfallabhängig zu prüfen und hängen insbesondere von der Art und Weise der jeweils ausgeführten Tätigkeit sowie etwaigen Vergütungsmodellen ab. Dies entscheidet darüber, ob die Tätigkeit der Influencer als Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder als Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu qualifizieren ist. In der Praxis ist insbesondere die Frage nach der steuerlichen Qualifikation von Betriebseinnahmen (z. B. Testprodukte) sowie den Betriebsausgaben (z. B. Equipment, Kleidung) häufig strittig. Insbesondere hinsichtlich der Frage des Betriebsausgabenabzuges für die Anschaffung bürgerlicher Kleidung einer Influencerin hat jüngst das Niedersächsische Finanzgericht entscheiden müssen. I. Grundlegendes Wann erzielen Influencer Einkünfte aus Gewerbebetrieb ? Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen, die eine selbständige und nachhaltige Betätigung erfordern, welche mit der Absicht unternommen wird Gewinn zu erzielen und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. „Selbständigkeit“ bedeutet, dass der Influencer eigenverantwortlich und unabhängig handelt. Die „Nachhaltigkeit“ bezieht sich auf die fortlaufende, nicht nur vorübergehende Geschäftstätigkeit. Die „Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ bedeutet, dass die Tätigkeit des Influencers für Dritte zugänglich ist. Ferner darf es sich bei der Tätigkeit des Influencers nicht um die Ausübung eines freien Berufs oder einer andere selbständigen Arbeit handeln (siehe dazu sogleich). Einkünften aus Gewerbebetrieb unterfallen nicht nur der Einkommensteuer, sondern auch der Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuerpflicht in Deutschland betrifft gewerbliche Unternehmen (sog. Gewerbebetriebe). Es gibt grundsätzlich einen Freibetrag in Höhe von EUR 24.500, bis zu dem keine Gewerbesteuer anfällt. Dieser gilt jedoch nur für natürlichen Personen sowie Personengesellschaften, die einen Gewerbebetrieb betreiben. Liegt der Gewerbeertrag darüber, erfolgt die Besteuerung mit Gewerbesteuer auf den übersteigenden Betrag. Die Gewerbesteuer lässt sich jedoch (teilweise) auf die Einkommensteuer anrechnen. Ob der Influencer Bilanzen erstellen muss oder seinen Gewinn durch eine Einnahmenüberschussrechnung ermitteln darf, hängt insbesondere vom jeweiligen Umsatz und Gewinn ab. Einzelkaufleute, die weniger als 600.000 EUR Umsatz und 60.000 EUR Gewinn pro Jahr haben, können die Einnahmenüberschussrechnung wählen. Bei Überschreitung der Wertgrenzen besteht Bilanzierungspflicht. Durch das geplante – aber noch nicht final beschlossene – Wachstumschancengesetz sollen die vorstehenden Schwellenwerte zur Bilanzierungspflicht auf 800.000 EUR Umsatz und 80.000 EUR Gewinn angehoben werden. Wann erzielen Influencer Einkünfte aus selbständiger Arbeit ? Einkünfte aus selbständiger Arbeit können bei verschiedenen Tätigkeiten vorliegen. Es handelt sich um Einkünfte aus freiberuflicher oder selbständiger Tätigkeit (sog. Katalogberufe). Die für den Gewerbebetrieb geltenden positiven Voraussetzungen „Selbstständigkeit“, „Nachhaltigkeit“, „Gewinnerzielungsabsicht“ und die „Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ gelten auch für die selbstständige Arbeit. Ausschlaggebend ist regelmäßig, dass die Tätigkeit bzw. der Beruf in § 18 EStG ausdrücklich aufgeführt ist (z. B. selbstständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit) oder, soweit § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 3 EStG keine abschließenden Aufzählungen enthalten, den genannten Tätigkeiten ähnlich ist. Charakteristisch ist regelmäßig die persönliche Leistung des Influencers auf eigene Rechnung und Gefahr tätig zu sein und ohne Weisungsabhängigkeit von Dritten vorwiegend durch persönlichen Arbeitseinsatz. Die Tätigkeit von Influencern kann zum Beispiel den im Gesetz aufgeführten Tatbestand der künstlerischen Tätigkeit erfüllen. Eine künstliche Tätigkeit liegt jedoch nur vor, wenn der Influencer eine eigenschöpferische Leistung vollbringt, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine gewisse Gestaltungshöhe erreicht. Die Besonderheit bei Einkünften aus selbständiger Arbeit ist, dass im Gegensatz zu Einkünften aus Gewerbebetrieb nur Einkommensteuer und keine Gewerbesteuer anfällt. Ferner ist ungeachtet der Umsatz- und Gewinnhöhe eine Einnahmenüberschussrechnung zur Gewinnermittlung ausreichend. Einer Bilanzierung bedarf es dann nicht. II. Steuerpflichtige Einnahmen und Ausgaben Liegen Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb vor, ist der Gewinn entsprechend zu versteuern. In der Praxis kommt es tatsächlich regelmäßig zu der Annahme von Einkünften aus Gewerbebetrieb, insbesondere wenn die Einnahmenstruktur primär auf Werbung und Vermittlungsprovisionen beruht (z. B. Affiliate-Links). Einnahmen in Geld sind regelmäßig leicht anhand der Kontoauszüge zu ermitteln. Gleichwohl erhalten Influencer häufig Produkte zum Testen zur Verfügung gestellt. Die steuerliche Behandlung dieser ist stets in Abhängigkeit der jeweiligen (Weiter-)Verwendung zu würdigen. Regelmäßig sind diese Sachzuwendungen als Betriebseinnahmen zu qualifizieren, wenn deren Erhalt durch die betriebliche Tätigkeit veranlasst ist. Auch die kostenfreie Nutzung von Dienstleistungen (z. B. kostenfreie Reisen oder Tickets) können regelmäßig als steuerpflichtige Betriebseinnahmen zu qualifizieren sein. Kritisch ist in diesem Zusammenhang in der Praxis insbesondere die Bewertung , wenn der „übliche Preis“ nicht bekannt ist. Etwas Anderes würde insgesamt nur gelten, wenn die Firmen von denen die Influencer die Produkte erhalten, diese bereits pauschal für sie versteuert hätten. Insbesondere die Einkommensermittlung bei Influencern ist nicht frei von steuer(straf)rechtlichen Risiken und bedarf einer qualifizierten Analyse der jeweilig bestehenden Einzelsachverhalten. Ferner bedarf es einer sauberen und in einer etwaigen Prüfung belastbaren Dokumentation sowohl der Geschäftsvorfälle als auch der zu Grunde gelegten Bewertung. Folgende Ausgaben können Influencer regelmäßig geltend machen: Aufwendungen aus der Internetnutzung sowie der Gestaltung von Websites und der Anschaffung von Ausrüstung zur Herstellung von Videos. Kosten für die Unterhaltung eines Raums, der ausschließlich zur Produktion von Videocontent sowie der Führung des Betriebes genutzt wird. Fahrt- und Reisekosten, Verpflegungsmehraufwendungen etc. Exkurs: Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 13. November 2023 (3 K 11195/21): Das FG urteilte im Leitsatz wie folgt: „Aufwendungen einer Mode-Influencerin/Mode-Bloggerin für die Anschaffung von bürgerlicher Kleidung und Mode-Accessoires sind - unabhängig vom betrieblichen Nutzungsumfang - nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.“ Geklagt hatte eine Steuerzahlerin, die auf diversen Social-Media-Kanälen sowie über einen Mode- und Lifestyleblog betreibt. Neben den Waren, die sie im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit von diversen Unternehmen erhalten hatte, um diese zu bewerben, erwarb die Influencerin zusätzlich auf eigene Rechnung diverse Kleidungsstücke und Accessoires (z. B. Handtaschen namhafter Luxusmarken). Diese Aufwendungen wollte sie als Betriebsausgaben bei ihrer gewerblichen Tätigkeit als Influencerin geltend machen. Neben dem Finanzamt (im Einspruchsverfahren) lehnte aber auch das Finanzgericht (im Klagverfahren) die steuerliche Geltendmachung der Kosten ab. Begründung: Bei gewöhnlicher bürgerlicher Kleidung und Mode-Accessoires sei eine Trennung zwischen privater und betrieblicher Sphäre nicht möglich. Dies ändere sich auch nicht, wenn die Aufwendungen in der Annahme getätigt werden, das berufliche Fortkommen zu fördern. Auf eine konkrete Nutzung komme es ebenfalls nicht darauf an. Allein die naheliegende Möglichkeit der Privatnutzung von bürgerlicher Kleidung und Mode-Accessoires führe dazu, dass eine steuerliche Berücksichtigung ausgeschlossen sei. Im zweiten Teil unserer Tax-Basics-Reihe befassen wir uns mit den umsatzsteuerlichen Besonderheiten von Influencern. Für Rückfragen und für weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508-100 gerne zur Verfügung.
von Meike Kuhn und Maya Krömer 28 Feb., 2024
I. Überblick Bereits im Jahr 2023 haben wir mehrere Blogbeiträge zu den aktuellen Änderungen im Zusammenhang mit der ertragsteuerlichen und umsatzsteuerlichen Behandlung von Photovoltaikanlagen verfasst. Dieser Beitrag ist als Ergänzung des Beitrags „ Nullsteuersatz für Umsätze im Zusammenhang mit bestimmten Photovoltaikanlagen “ zu verstehen. Das Bundesministerium der Finanzen hat am 30.11.2023 ein BMF-Schreiben (III C 2 - S 7220/22/10002 :013) zu Einzelfragen bei der Anwendung des Nullsteuersatzes für bestimmte Photovoltaikanlagen (§ 12 Abs. 3 UStG) erlassen sowie den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) angepasst. Das Schreiben ist eine Ergänzung des BMF-Schreibens vom 27.02.2023 (III C 2 -S 7220/22/10002 :010) zur Einführung des Nullsteuersatzes für die Lieferung von Photovoltaikanlagen. II. Im Detail 1. Entnahme aus dem Betriebsvermögen In dem BMF-Schreiben vom 27.02.2023 ist geregelt, dass eine Entnahme oder eine unentgeltliche Zuwendung einer Photovoltaikanlage, die vor dem 01.01.2023 erworben wurde und die zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, als unentgeltliche Wertabgabe gemäß § 3 Abs. 1b UStG der Umsatzsteuer unterliegt. Eine unentgeltliche Wertabgabe ist eine Abgabe in den außerunternehmerischen Bereich, die sich auf den Unternehmensgewinn auswirkt. Eine Entnahme des gesamten Gegenstandes (Photovoltaikanlage) ist nur möglich, wenn zukünftig voraussichtlich mehr als 90 % des erzeugten Stroms für nichtunternehmerische Zwecke verwendet werden. Davon ist auszugehen, wenn der Betreiber beabsichtigt, zukünftig mehr als 90 % des mit der Photovoltaikanlage erzeugten Stroms für unternehmensfremde Zwecke zu verwenden. Hierfür wurde eine Vereinfachungsregelung eingeführt (Rn. 5 des BMF-Schreibens vom 27.02.2023). Die Voraussetzungen für diese Vereinfachungsregelung wurde nun im neuen BMF-Schreiben konkretisiert. Wenn ein Teil des mit der Photovoltaikanlage erzeugten Stroms z. B. in einer Batterie gespeichert wird, durch die nicht nur gelegentliche Ladung eines privaten E-Fahrzeugs, den Betrieb einer privaten Wärmepumpe oder durch eine Rentabilitätsrechnung eine Nutzung für unternehmensfremde Zwecke von über 90 % nachgewiesen wird, liegt eine Entnahme vor. Die Anwendung der Vereinfachungsregelung stellt ein Wahlrecht für den Unternehmer dar. Die Ausübung dieses Wahlrechts ist vom Unternehmer zu dokumentieren, beispielsweise durch eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Finanzamt. Eine rückwirkende Entnahme der Photovoltaikanlage ist nicht möglich. 2. Vorsteuerabzug bei einer zum Privatvermögen gehörenden Photovoltaikanlage Das neue BMF-Schreiben stellt klar, dass ein Vorsteuerabzug aus Lieferungen oder sonstigen Leistungen, die für eine entnommene Photovoltaikanlage bezogen worden sind, nur in Höhe der unternehmerischen Nutzung möglich ist. Das heißt es ist das Verhältnis der unternehmerischen Nutzung zur unternehmensfremden Nutzung maßgeblich (vgl. A. 15.2c Abs. 3 S. 2 UStAE). Für den Vorsteuerabzug müssen gleichzeitig die weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG vorliegen. Das bedeutet, der Unternehmer benötigt eine Rechnung (§ 14 UStG) in der die Steuer gesondert ausgewiesene ist und die gesetzlich geschuldet wird. Des Weiteren muss die Lieferung oder sonstige Leistung von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt werden. 3. Begriff der Sachgesamtheit Gemäß dem BMF-Schreiben vom 30.11.2023 soll der Begriff der Sachgesamtheit beachtet werden. Sachgesamtheit bedeutet das Zusammenfassen mehrerer selbständiger Gegenstände zu einem einheitlichen Ganzen (vgl. A 3.1 Abs.1 S. 3 UStAE). Im UStAE ist explizit geregelt, dass die gleichzeitige Anschaffung einer Photovoltaikanlage und eines Stromspeichers in einem einheitlichen (Werk-)Vertrag eine Sachgesamtheit bildet (vgl. A 3.1 Abs. 1 S. 4 UStAE). Die Gesamtanlage (im vorgenannten Fall Photovoltaikanlage plus Stromspeicher) stellt das Zuordnungsobjekt (Privatvermögen oder Betriebsvermögen) dar. Sofern die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG erfüllt sind, ist für die Sachgesamtheit der Nullsteuersatz anzuwenden. 4. Option zur Regelbesteuerung vor dem 1.1.2023 Das neue BMF-Schreiben führt explizit aus, dass Steuerpflichtige, die vor dem 01.01.2023 eine Photovoltaikanlage angeschafft haben und wirksam zur Regelbesteuerung optiert haben die Bindungsfrist von 5 Jahren nach § 19 Abs. 2 S. 2 UStG zu beachten haben. In der jüngsten Vergangenheit unterlagen Steuerpflichtige, ohne weiterer unternehmerischer Betätigung, mit Ihrer Photovoltaikanlage der Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG. Es bestand die Möglichkeit zur Regelbesteuerung nach § 19 Abs. 2 UStG zu optieren. Das bedeutet der Steuerpflichtige hat sich freiwillig der Umsatzbesteuerung unterworfen, durfte dafür aber auch den Vorsteuerabzug geltend machen. Diese Option bindet den Steuerpflichtigen für 5 Jahre. Hat der Steuerpflichtige seine Anlage also vor dem 01.01.2023 erworben und zur Regelbesteuerung optiert, ist er für 5 Jahre an diese Regelbesteuerung gebunden, auch wenn er die Photovoltaikanlage nun aus dem Unternehmen entnommen hat. Ein vorzeitiger Wechsel in die Kleinunternehmerregelung ist nicht möglich. Die Einspeisevergütung unterliegt weiterhin der Umsatzsteuer. 5. Wechsel zur Kleinunternehmerregelung § 15a UStG regelt grundsätzlich die Änderungen beim Vorsteuerabzug, wenn sich die Verhältnisse, die ursprünglich zu einem Vorsteuerabzug eines Wirtschaftsguts geführt haben, welches nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird, innerhalb von 5 bzw. 10 Jahren ändern. In diesem Zusammenhang hält das BMF-Schreiben vom 30.11.2023 fest, dass ein Wechsel zur Kleinunternehmerregelung nur dann eine Änderung der Verhältnisse gegenüber dem ursprünglichen Vorsteuerabzug darstellt, wenn sich die Photovoltaikanlage noch im Unternehmen befindet. Laut BMF-Schreiben ist eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 15a Abs. 7 UStG bereits dann nicht mehr gegeben, wenn die Entnahme der Photovoltaikanlage nur eine juristische Sekunde vor dem Wechsel in die Kleinunternehmerschaft erfolgt. III. Auswirkungen auf die Praxis In dem BMF-Schreiben vom 30.11.2023 werden einige Detailfragen im Zusammenhang mit der Photovoltaikanlage geregelt. In der Praxis sollte genau geprüft werden, wann die Photovoltaikanlage angeschafft wurde und ob bzw. welche Anträge bisher gestellt wurden um insbesondere die Fünfjahresfrist bei der Option zur Regelbesteuerung zu beachten. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.
von Dirk Roßmann 19 Feb., 2024
I. Einleitung Zieht ein unbeschränkt Steuerpflichtiger ins Ausland und hält er Kapitalgesellschaftsanteile (i. H. v. mindestens 1 %) i.S.d. § 17 EStG, kann dies die sog. Wegzugsbesteuerung nach § 6 Außensteuergesetz (AStG) auslösen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte in jüngster Zeit vermehrt die Gelegenheit zur Wegzugsbesteuerung Stellung zu beziehen (siehe dazu bereits unsere Blogbeiträge vom 23. Mai 2023 sowie vom 29. Januar 2024 ). Für den Wegziehenden stellt die sofortige Zahlung der Steuer im Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes in der Praxis eine hohe Hürde dar, die einen Wegzug ins Ausland deutlich erschwert. Nach alter Rechtslage erfolgte bei Wegzug in einen EU-/EWR-Staat eine zinslose Stundung ohne Sicherheitsleistung (§ 6 Abs. 5 AStG a. F.) bzw. in einen Drittstaat eine Teil-Stundung gegen Sicherheitsleistung mit Zahlung der Steuerschuld in maximal fünf Raten (§ 6 Abs. 4 AStG a.F.). Nunmehr musste der BFH zur Wegzugsbesteuerung im Hinblick auf die Schweiz urteilen (Urt. v. 6. September 2023, I R 35/20). II. Urteilssachverhalt Der über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügende Kläger löste durch seinen Wegzug in 2011 in die Schweiz im Hinblick auf seine 50%ige Beteiligung an einer schweizerischen Kapitalgesellschaft die Wegzugsbesteuerung aus (§ 6 Abs. 1 AStG i. V. m. § 17 EStG). Der Kläger wies im Einspruchsverfahren darauf hin, dass eine Besteuerung nicht mit dem zwischen der EU und der Schweiz geschlossenem Freizügigkeitsabkommen (FZA) im Einklang stünde, da die Besteuerung nicht realisierter stiller Reserven eine abschreckende Wirkung habe und für das FZA keine dem § 6 Abs. 5 AStG entsprechende Stundungsregelung vorgesehen sei. Das Finanzamt (FA) wies den Einspruch zurück. Im Rahmen des Klageverfahrens richtete das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH); mit dem Urteil Wächtler (v. 26.02.2019 – C-581/17) stellte dieser eine Verletzung des FZA-Niederlassungsrechts fest. Das FG gab daraufhin der Klage statt, gegen die sich das FA mit der eingelegten Revision wendete und geltend machte, dass die Festsetzung der Wegzugssteuer gemäß § 6 AStG zulässig und für die Stundung nicht auf das Steuerfestsetzungs-, sondern das Steuererhebungsverfahren abzustellen sei. III. Entscheidung des BFH Nach Auffassung des BFH ist die Revision des FA begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage. Im Streitfall sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 AStG erfüllt. Die in § 6 Abs. 4 AStG zeitlich befristete Teil-Stundung hat der Kläger ausdrücklich nicht (mehr) beantragt. Eine Stundung nach § 6 Abs. 5 AStG kommt im Übrigen nur bei einem Wegzug in einem Mitgliedstaat der EU oder einem EWR-Vertragsstaat in Betracht und ist daher im Streitfall nicht einschlägig. Rechtsfehlerfrei hat das FG berücksichtigt, dass es an die im Vorabentscheidungsverfahren ergangene Entscheidung des EuGH gebunden ist. Danach hat der EuGH in seinem Urteil Wächtler das deutsche, aus Regelungen für die Steuerfestsetzung und Regelungen für die Steuererhebung bestehende und insbesondere in § 6 Abs. 1, 4 und 5 AStG kodifizierte „System“ der Wegzugsbesteuerung bei Wegzügen in die Schweiz verworfen, weil es das FZA-Niederlassungsrecht der betroffenen Steuerpflichtigen verletzt. Demnach sei eine dauerhafte und zinslose Stundung des gesamten Betrags der Wegzugssteuer geboten. Die Stundung darf gegebenenfalls von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden, nicht aber mit einer Verzinsung einhergehen. Entgegen der Vorinstanz hindere das FZA jedoch nicht, die Wegzugssteuer im Zeitpunkt des Wegzuges festzusetzen. IV. Auswirkungen auf die Praxis Der BFH hat eindeutig klargestellt, dass im Urteilsfall zur Rechtslage 2011 „kein Zweifel“ an der Notwendigkeit einer dauerhaften und zinslosen Stundung bestehe. Sofern Steuerpflichtige im Hinblick auf die Schweiz in der Vergangenheit Wegzugssteuer gezahlt haben, sollte geprüft werden, ob eine Rückerstattung möglich ist. Eine Sicherheitsleistung kann grundsätzlich verlangt werden. Zukünftige Ausschüttungen sollte vor dem Hintergrund des am 27. Dezember 2023 verkündeten Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz betrachtet werden, die zur einem Wegfall der Stundung führen kann. Spannend bleibt die Frage, ob das Urteil über den Einzelfall hinaus auf die aktuelle Fassung von § 6 AStG übertragbar ist, wonach auch für Wegzüge innerhalb der EU/EWR nicht länger eine grundsätzliche Stundungsmöglichkeit vorgesehen wird. Für Rückfragen zum Thema „Wegzugsbesteuerung“ und deren Vermeidung sowie zu dem o.g. Urteil stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508-100 gerne zur Verfügung.
von Beatrice Lückert 14 Feb., 2024
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben am 17. November 2023 das sogenannte Wachstumschancengesetz verabschiedet, mit dem die Bundesregierung die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland stärken will. Der Bundesrat hat den Regierungsentwurf allerdings am 24. November 2023 gestoppt und an den Vermittlungsausschuss übergeben. Dieser soll sich am 21. Februar 2024 mit dem Wachstumschancengesetz befassen. Das Vermittlungsergebnis wird voraussichtlich in der Bundesratssitzung am 22. März 2024 beschlossen. Da viele der Regelungen bereits ab dem Jahreswechsel 2023/2024 gelten sollen, werden diese voraussichtlich rückwirkend in Kraft treten, sobald das Wachstumschancengesetz beschlossen ist. Mit dem Wachstumschancengesetz sind unter anderem diverse Änderungen für Abschreibungen geplant. Nachfolgend geben wir einen kurzen Überblick über die geplanten Änderungen im Bereich der Abschreibungen: I. Degressive Abschreibung bei beweglichen Wirtschaftsgütern Für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens konnte gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 EStG für die Jahre 2020 bis 2022 „vorübergehend“ die degressive Abschreibung als konjunkturstützende Maßnahme in Anspruch genommen werden. Nunmehr soll es erneut vorübergehend ermöglicht werden für bewegliche Wirtschaftsgüter, die nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.1.2025 angeschafft oder hergestellt worden sind, die degressive Abschreibung abermals einzuführen. Der dabei anzuwendende Prozentsatz darf höchstens das Zweieinhalbfache des bei der linearen Abschreibung in Betracht kommenden Prozentsatzes betragen und 25 % nicht übersteigen. Sinnvoll ist die Anwendung für bewegliche Wirtschaftsgüter deren Nutzungsdauer mehr als 4 Jahre beträgt. Die degressive Abschreibung führt zu Beginn des Abschreibungszeitraums zu einer höheren Abschreibung und am Ende zu einer niedrigeren Abschreibung. Letztlich führt die zeitliche Verschiebung nur zu einem reinen Zinseffekt. Zu beachten ist hierbei, dass es im Fall der Bilanzierung insoweit zum Auseinanderfallen zwischen Handels- und Steuerbilanzansatz kommen kann. II. Degressive Abschreibung bei Wohngebäuden Aufgrund des Wohnraummangels in Ballungsgebieten sowie anhaltender wirtschaftlicher Belastungen durch hohe Baukosten (Anstieg der Rohstoffpreise, erhöhte Finanzierungskosten) soll, zur Förderung des Wohnungsbaus und zur Unterstützung der Bauwirtschaft, die Inanspruchnahme einer geometrisch- degressiven Abschreibung für Gebäude mit fallenden Jahresbeträgen befristet eingeführt werden. Der Gesetzentwurf sieht im neuen § 7 Abs. 5a EStG folgende Voraussetzungen vor: ausschließlich für neue Gebäude, die Wohnzwecken dienen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes belegen sind, Baubeginn des Wohngebäudes muss zwischen dem 1.10.2023 und dem 30.9.2029 liegen. Maßgebend ist hier die Baubeginnsanzeige. Eine Baubeginnsanzeige ist eine formelle Mitteilung, die von einer Baufirma oder einem Bauherren an die zuständige Bauaufsichtsbehörde gesendet wird, um den Beginn eines Bauprojekts anzuzeigen. Die Baubeginnsanzeige enthält regelmäßig Informationen über das geplante Bauprojekt, den Standort, den Zeitplan und andere relevante Details. Sie ermöglicht den Behörden, die Baustelle zu überwachen und sicherzustellen, dass das Projekt den genehmigten Plänen entspricht und alle erforderlichen Standards eingehalten werden. Beim Kauf einer Immobilie muss der Vertrag zwischen dem 1.10.2023 und dem 30.9.2029 rechtswirksam geschlossen werden. Die Immobilie muss bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung erworben werden. D. h. die Fertigstellung des Gebäudes und die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über das Gebäude müssen im gleichen Kalenderjahr erfolgen. Der Steuerpflichtige trägt die Nachweispflicht. Im Erstjahr können sechs Prozent der Investitions-/Anschaffungskosten steuerlich in Abzug gebracht werden. In den darauffolgenden Jahren sind dann jeweils sechs Prozent des Restwertes abzugsfähig. Die Abschreibung hat pro rata temporis zu erfolgen. Ein Wahlrecht zum Wechsel zur linearen AfA nach § 7 Abs. 4 EStG ist vorgesehen. Die lineare Absetzung für Abnutzung ist nach dem Wechsel zur Absetzung für Abnutzung nach § 7 Abs. 4 Nr. 2a EStG vom Restwert vorzunehmen. Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzungen sind neben der degressiven Abschreibung nicht zulässig. Soweit Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzungen eintreten, kann zur linearen AfA gewechselt werden. Die Abschreibung stellt sich beispielhaft wie folgt dar: Bei EUR 500.000,00 Investitionskosten (1.2025) sollen im ersten Jahr EUR 30.000,00 (sechs Prozent von EUR 500.000,00), im zweiten Jahr EUR 28.200,00 (EUR 500.000,00 Euro abzüglich der EUR 30.000,00 vom ersten Jahr = EUR 470.000,00 Restwert davon sechs Prozent). III. Geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) Bisher ist für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter ein voller Betriebsausgabenabzug im Wirtschaftsjahr der Anschaffung, Herstellung oder Einlage des Wirtschaftsgutes möglich, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert für das einzelne Wirtschaftsgüter EUR 800,00 nicht überschreitet (GWG-Grenze). Hierbei ist zu beachten, dass Wirtschaftsgüter, die einen Wert von mehr als EUR 250,00 ausweisen, im Anlageverzeichnis aufzunehmen sind. Die GWG-Grenze soll für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31.12.2023 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt werden, um EUR 200,00 auf EUR 1.000,00 erhöht werden. IV. Sammelposten Nach aktueller Rechtslage kann für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ein Sammelposten im Wirtschaftsjahr der Anschaffung, Herstellung oder Einlage gebildet werden, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder an deren Stelle tretende Wert für das einzelne Wirtschaftsgut EUR 250,00, aber nicht EUR 1.000,00 übersteigen. Der Sammelposten ist im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den folgenden vier Wirtschaftsjahren gleichmäßig gewinnmindernd aufzulösen. Das Wachstumschancengesetz sieht eine deutliche Anhebung der Betragsgrenze für das einzelne Wirtschaftsgut um EUR 4.000,00 auf EUR 5.000,00 vor. Zudem soll die Auflösungsdauer von fünf auf drei Jahre verkürzt werden. Diese Änderung soll erstmals auf Wirtschaftsgüter Anwendung finden, die nach dem 31.12.2023 angeschafft/hergestellt werden. Für geringwertige Wirtschaftsgüter ergeben sich daher folgende Abschreibungsvarianten:
von Meike Kuhn 05 Feb., 2024
I. Einleitung Im Steuerrecht liegt eine doppelte Haushaltsführung vor, wenn aus beruflichen Gründen ein Arbeitnehmer neben seiner eigentlichen Wohnung auch noch eine Zweitwohnung am Beschäftigungsort hat. Die Führung eines zweiten Haushaltes muss konkreten beruflichen Zwecken dienen. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige den Zweithaushalt nutzt, um von dort aus seine erste Tätigkeitsstätte aufzusuchen. Liegt eine solche beruflich bedingte doppelte Haushaltsführung vor, so können grundsätzlich alle durch die doppelte Haushaltsführung veranlassten notwendigen Mehraufwendungen , als Werbungskosten berücksichtigt werden (§ 9 Absatz 1 Nr. 5 EStG). Das sind meist insbesondere Unterkunfts-kosten am Ort der Tätigkeitsstätte, Kosten für Familienheimfahrten, Aufwendungen für die Wohnungseinrichtung der Zweitwohnung, Umzugskosten und Kosten für einen Stellplatz. In dem BMF-Schreiben „Steuerliche Behandlung der Reisekosten von Arbeitnehmern“ vom 25.11.2020 (BStBl I 2020, 1228) werden weitere Details zur doppelten Haushaltsführung dar-gestellt. II. Bisherige Regelung zu den Unterkunftskosten Wie bereits oben dargelegt, können Unterkunftskosten für die Zweitwohnung im Ausland im Rahmen der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten geltend gemacht werden. Seit dem Jahr 2014 gelten für die Berücksichtigung von Unterkunftskosten (§ 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 4 EStG) jedoch besondere Einschränkungen. Als Unterkunftskosten für eine doppelte Haushaltsführung können im Inland die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft angesetzt werden, jedoch höchstens 1.000 EUR im Monat . Der Höchst-betrag umfasst sämtliche entstehenden Aufwendungen wie Miete, Betriebskosten, Kosten der laufenden Reinigung und Pflege der Zweitwohnung, Zweitwohnungsteuer, die vom Arbeitnehmern selbst getragen werden. Die Finanzverwaltung vertrat bisher außerdem die Auffassung, dass bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland die Aufwendungen nur als Werbungskosten berücksichtig werden können, soweit sie die ortsübliche Miete für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittlichen Wohnung am Ort der Tätigkeitsstätte mit einer Wohnfläche bis zum 60 qm nicht überschreiten (BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 112). Zu diesen Einschränkungen beim Ansatz der Unterkunftskosten als Werbungskosten, hat der Bundesfinanzhof jüngst – wie nachfolgend dargestellt – geurteilt. III. Urteil des Bundesfinanzhofs zu Unterkunftskosten bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland Am 9. November 2023 wurde ein Urteil des Bundesfinanzhofs zur Beurteilung von Unterkunftskosten bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland veröffentlich (BFH-Urteil vom 9. August 2023 - VI R 20/21). Bei dem zu entscheidenden Sachverhalt handelte es sich um einen Steuerpflichtigen, der für die Bundesrepublik Deutschland als Botschafter tätig war. Neben seiner Wohnung im Inland, hatte der Steuerpflichtige zusammen mit seiner Ehe-frau an seinen jeweiligen Tätigkeitsstätten im Ausland eine Dienstwohnung in der Größe von 250 qm bzw. in der Größe von 186 qm. Diese (nacheinander genutzten) Wohnungen wurden dem Steuerpflichtigen beamtenrechtlich zugewiesen. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung hat der Steuerpflichtige die Kosten für die Nutzung der Wohnungen im Rahmen der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten geltend gemacht. Das Finanzamt erkannte die doppelte Haushaltsführung dem Grunde nach an. Dem Werbungskostenabzug für die Unterkunft wurde jedoch nur anteilig auf die Begrenzung der Wohnfläche von 60 qm zugestimmt. Der Einspruch des Steuerpflichtigen war erfolglos. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz stimmte dem Steuerpflichtigen zu (Urteil vom 22. Juni 2021 – 3 K 1255/20). Gegen dieses Urteil legte das Finanzamt Revision ein. Mit Urteil vom 9. November 2023 hat der Bundesfinanzhof die Revision des Finanzamtes als unbegründet zurückgewiesen . Der Bundesfinanzhof erläutert in seiner Begründung, dass die Begrenzung der zu berücksichtigenden Unterkunftskosten auf 1.000 EUR (gemäß § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 4 EStG) auf Grund des Wortlauts nur für Inlandssachverhalte Gültigkeit hat. Eine Anwendung der Regelung auf eine im Ausland gelegene Zweitwohnung scheidet aus. Somit verbleibt es bei der Regelung, dass notwendige Unterkunftskosten als Werbungskosten abzugsfähig sind (§ 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 1 EStG). Der Bundesfinanzhof hat in seiner Begrün-dung geschrieben, dass eine Typisierung dahingehend, dass Unterkunftskosten, die den Durchschnittsmietzins einer 60 qm-Wohnung am Beschäftigungsort nicht überschreiten, für Auslandssachverhalte und damit im Streitfall nicht in Betracht kommt . Der Bundesfinanzhof führt das dahingehend aus, dass eine solche Regelung bei Auslandssachverhalten schlichtweg nicht handhabbar ist, denn belastbare Feststellungen zum ortsüblichen Mietzins je Quadratmeter für eine durchschnittliche Wohnung im Ausland kann weder von den Beteiligten im Veranlagungsverfahren erhoben noch von den Finanzgerichten belastbar überprüft werden. Der Bundesfinanzhof kommt zu dem Schluss, dass bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland stets im Einzelfall zu prüfen ist, welche Unterkunftskosten im Ausland als notwendig anzusehen sind. Im hier vorliegenden konkreten Fall kam zusätzlich hinzu, dass der Steuerpflichtige seine Unterkunft im Ausland nicht frei wählen konnte, sondern ihm eine Dienstwohnung zur Verfügung gestellt wurde. Der Bundesfinanzhof kam in diesem Sachverhalt zu dem Schluss, dass die Entscheidung des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz zutreffend war und die Kosten für die Unterkunft , unabhängig von der Wohnfläche, in vollem Umfang als Kosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung zu berücksichtigen sind. IV. Auswirkungen auf die Praxis Die Rechtsprechung kann für Personen mit einer doppelten Haushaltsführung im Ausland von Bedeutung sein. Offene Fälle sollten dahingehend genau analysiert werden. In dem vorstehend dargestellten Urteil handelt es sich jedoch um einen sehr speziellen Fall, da dem Steuerpflichtigen jeweils eine Dienstwohnung zugewiesen wurde. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung auch in anderen Fällen der Argumentation des Bundesfinanzhofes folgt und möglicherweise das BMF-Schreiben entsprechend anpasst. Für Rückfragen und für weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508-100 gerne zur Verfügung.
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